Seehofer will Dobrindt als Minister - Grüne denken an Rot-Rot-Grün
Berlin (dpa) - Vor den entscheidenden Sondierungen der Union mit SPD und Grünen spielen Politiker alle möglichen Varianten durch: Schwarz-Rot, Schwarz-Grün, Rot-Rot-Grün.
CSU-Chef Horst Seehofer sagte der „Leipziger Volkszeitung“ (LVZ/Samstag), eine große Koalition bleibe seine Präferenz. Ein tragfähiges Regierungsprogramm halte er aber auch mit den Grünen für möglich. Über Ministerposten gebe es noch keine Verabredungen, sagte Seehofer, brachte aber zugleich CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt ins Gespräch. Der solle, „wenn es irgendwie geht, Bundesminister werden“.
Schleswig-Holsteins SPD-Chef Ralf Stegner sagte der dpa, eine große Koalition sei das Wahrscheinlichste - auch wenn er in seiner Partei niemanden kenne, der ein solches Bündnis wirklich wolle.
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt hält die Linkspartei zwar nicht für regierungsfähig, erklärte sich aber zu Gesprächen über Rot-Rot-Grün bereit. „Wenn der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel uns und die Linkspartei zu Sondierungsgesprächen über eine Regierungsbildung einladen sollte, würden wir auch da hingehen“, sagte sie der „Bild am Sonntag“. Zugleich meinte sie: „Da sehe ich wegen deren Außen- und Europapolitik keine Regierungsfähigkeit.“
Auch Göring-Eckardts Co-Frakionschef Anton Hofreiter sagte der „Welt am Sonntag“, gegenwärtig sei die Linke nicht regierungsfähig. Es sei aber schlecht für die Demokratie, wenn es vor der Wahl nur noch darum gehe: „Regiert die Union hinterher mit der FDP, der SPD oder mit den Grünen?“ Deshalb würden sich die Grünen in dieser Wahlperiode auf Koalitionsoptionen mit der Union sowie der Linken vorbereiten. Damit ließ Hofreiter durchblicken, dass er mit einem Scheitern der Sondierung mit der Union am Dienstag rechnet.
Die stellvertretende NRW-Ministerpräsidentin Sylvia Löhrmann (Grüne) hofft schon jetzt auf rot-rot-grüne Sondierungen. „Die SPD muss sich fragen, ob sie nicht doch noch ein Gespräch mit Grünen und Linken führt“, sagte sie der Zeitung „Die Welt“. Parteiratsmitglied Rasmus Andresen sagte der Nachrichtenagentur dpa, der Weg der Grünen zu den Roten sei kürzer als zu den Schwarzen.
Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“, große Unterschiede zur Union gebe es in der Europa- und Steuerpolitik sowie beim Klimaschutz. Die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ berichtete, die Union lehne eine Schuldenbremse für Banken und eine Abkehr vom Sparkurs für schwächere EU-Länder ab. Die CSU wehre sich gegen die Forderung, Windräder mit weniger als 2000 Metern Abstand voneinander aufzustellen.
Nach Angaben aus Verhandlungskreisen wurden Telefonate der Spitzen von Union und Grünen vereinbart, außerdem wollte die Union weiter Kontakt zur SPD halten. Bereits am Freitag trafen sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Seehofer und Gabriel im Kanzleramt. CDU und CSU bereiten für die Gespräche mit den Sozialdemokraten am Montag und den Grünen am Dienstag ein Themenpaket vor.
Nach Informationen der „Bild“-Zeitung haben sich Merkel, Seehofer und Gabriel am Freitag darauf geeinigt, über acht Themen eingehend zu beraten: Europa, Euro, nachhaltige Finanzen, demografischer Wandel, Föderalismusreform, Wirtschaftsstandort Deutschland, innere Sicherheit und Deutschlands Verantwortung in der Welt.
Nach LVZ-Angaben wollen CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe und Dobrindt am Wochenende ein Konsensprogramm für die Gespräche mit SPD und Grünen erarbeiten. Darin solle ein Angebot zur Einführung von flächendeckenden Mindestlöhnen, zur strikten Begrenzung von Leih- und Zeitarbeit sowie zur Öffnung zu einer Solidarrente enthalten sein.
Merkel bekräftigte ihre Haltung zur Tarifautonomie. Eine starke Tarifautonomie sei der gemeinsame Beitrag der Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu einer funktionierenden Sozialen Marktwirtschaft, sagte sie in einer Videobotschaft am Samstag. Die Union ist dafür, dass eine Tarifkommission regional- und branchenspezifische Lohnuntergrenzen aushandelt. SPD und Grüne verlangen dagegen die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 pro Stunde.