Sitzenbleiben vor dem Aus

In Hamburg ist die „Ehrenrunde“ bereits abgeschafft. Niedersachsen will folgen. Aber es gibt auch heftige Kritik.

Hannover/Düsseldorf. Der Plan von Rot-Grün in Niedersachsen, mittelfristig das Sitzenbleiben abzuschaffen, hat die Debatte über den Umgang mit leistungsschwachen Schülern neu angefacht. Der Präsident der Kultusministerkonferenz, Stephan Dorgerloh (SPD), begrüßte das Konzept und verlangte mehr individuelle Förderung für Schulkinder.

Mehrere Landesregierungen bereiten ähnliche Reformen vor. Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) sagte dagegen: „Das ist bildungspolitischer und pädagogischer Populismus.“ SPD und Grüne in Niedersachsen haben in ihrem Koalitionsvertrag als Ziel festgeschrieben, „Sitzenbleiben und Abschulung durch individuelle Förderung überflüssig (zu) machen“.

Bundesweit wiederholen pro Jahr etwa zwei Prozent aller Schüler eine Klasse. In den vergangenen Jahren haben eine ganze Reihe von Ländern entschieden, das Durchfallen ganz oder zumindest teilweise zu streichen.

In Hamburg zum Beispiel ist Sitzenbleiben in den Klassen 1 bis 9 abgeschafft, bis 2017 soll das für alle Klassen gelten. Das rot-grün regierte Rheinland-Pfalz will in einem Modellversuch den Verzicht aufs Sitzenbleiben testen. In Berlin müssen nur Gymnasiasten und — im Ausnahmefall — Grundschüler befürchten, eine Klasse wiederholen zu müssen. In der kürzlich von Grün-Rot in Baden-Württemberg eingeführten Gemeinschaftsschule können die Kinder schon heute nicht mehr durchfallen.

Josef Kraus, Chef des Deutschen Lehrerverbandes, sagte: „Es gibt keine pädagogische Begründung für die Abschaffung, außer man ist ein naiver Utopist.“ Schulabschlüsse würden damit zu ungedeckten Schecks. „Da kann man gleich eine Abitur-Vollkasko-Garantie anbieten.“

NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) bezeichnete die Wiederholung von Schuljahren als eine „Verschwendung der Lebenszeit“. „Meistens haben die Schüler Schwächen in einzelnen Fächern und nicht generell“, erklärte Löhrmann. Es gehe darum, in diesen Fächern möglichst früh einzugreifen und individuell zu fördern. Nach ihren Angaben sind die Sitzenbleiberquoten in Nordrhein-Westfalen in den vergangenen Jahren spürbar gesunken. Red