SPD streitet über interne Kritik an Gabriel

Berlin (dpa) - In der SPD rumort es wieder: Die Unruhe wächst, weil die Partei ein Jahr nach dem Wahldesaster immer noch nicht Tritt gefasst hat. Bei dem neuen Ärger spielen auch persönliche Animositäten eine Rolle.

Führende Sozialdemokraten wiesen die scharfe Kritik des rechten Parteiflügels am Kurs von SPD-Chef Sigmar Gabriel und der übrigen Führung empört zurück. Der konservative „Seeheimer Kreis“ sieht aber keinen Grund, klein beizugeben und die Vorwürfe zurückzunehmen.

Gabriel versuchte, die aufgeflammte Debatte einzudämmen. „Ich finde eine solche Diskussion zwölf Monate nach einer schweren Wahlniederlage richtig und gut“, sagte er am Freitag im Deutschlandfunk. Die Partei müsse sich nach einem solchen Einschnitt damit befassen, was man falsch gemacht habe. Jetzt müsse damit aber allmählich auch wieder Schluss sein. Die Partei müsse sich den Fragen zuwenden, „was man in Zukunft tun will“.

Auslöser für die jüngste parteiinterne Aufregung war ein sechsseitiges Thesenpapier vom Seeheimer-Sprecher Garrelt Duin mit dem Titel: „Mut zur Sozialdemokratie“. Darin heißt es, die Partei stecke in einer schweren Identitätskrise und habe keine schlüssigen Antworten auf die Sorgen vieler Menschen. Nach Ansicht Duins ist die SPD auch deshalb inhaltlich unkenntlich geworden, weil sie „mal Hü und mal Hott zum selben Thema sagt“ - eine deutliche Spitze gegen den Parteichef. Gefordert wurde mit Blick auf die von Gabriel betriebenen Kurskorrekturen die Rückkehr zu einem klaren Mitte-Links-Kurs.

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles hielt Duin Disziplinlosigkeit vor. Als Mitglied des Parteivorstands hätte er dort jederzeit seine Meinung sagen können. Das Thema gehöre „in die Gremien und nicht in die Zeitungen“, sagte sie der „Süddeutschen Zeitung“. Auch Fraktionsvize Joachim Poß nannte Duins Verhalten „unerfreulich und verfehlt“. Der Seeheimer-Sprecher sei offensichtlich der „CDU- Kampagne auf den Leim gegangen, die Sozialdemokraten als irrelevant und rückständig darzustellen“, sagte Poß der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Bayerns SPD-Landeschef Florian Pronold warnte im „Handelsblatt“ vor einem Rückfall in alte Flügelkämpfe.

Demgegenüber stärkte die Ko-Sprecherin der Seeheimer, Petra Ernstberger, ihrem Mitstreiter den Rücken“: „Die Fragen sind richtig gestellt. Die Vorschläge sind konstruktiv. Wir stehen hinter Garrelt Duin“, sagte sie der „Berliner Zeitung“. Auch der niedersächsische Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy sieht darin einen „völlig legitimen, insgesamt konstruktiven Diskussionsbeitrag“. Offensichtlich in Richtung von Nahles meinte das Seeheim- Führungsmitglied Johannes Kahrs, die Berliner SPD-Zentrale bleibe „deutlich unter ihren Möglichkeiten“.

Trotz aller demonstrativ betonten Gelassenheit gibt es in der SPD-Führung spürbare Verärgerung über die angezettelte Debatte. Gabriel sei darüber „stinksauer“ gewesen, verlautete aus dem Willy-Brandt- Haus. In der Fraktion wurde insbesondere der Vorwurf, der SPD fehle eine ordnungspolitische Linie in der Wirtschaft, als kurios bezeichnet, weil Duin selbst wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion ist. In dieser Funktion habe man von ihm bislang keine eigenen Anstöße gehört, erklärten Abgeordnete.

Hintergrund des Konflikts sind wohl auch seit langem gepflegte persönliche Animositäten zwischen Gabriel und dem früheren niedersächsischen SPD-Chef Duin. Dieser verdächtigt Gabriel, hinter den Kulissen seinen Abgang von der Spitze der Landespartei betrieben zu haben, was führende Parteifreunde in Hannover aber als Unsinn bezeichnen. Vor dem Wechsel nach Berlin hatten sich beide einen heftigen Kampf um Organisationsfragen im Landesverband geliefert. Während Duin die SPD-Bezirke auflösen wollte, trat Gabriel als Braunschweiger Parteichef strikt für den Erhalt ein.