Staatsakt für Helmut Schmidt: Ein „Gigant“ ist gegangen
Hamburg (dpa) - „Gigant“ und „Weltgewissen“: Mit einem bewegenden Staatsakt in Hamburg haben 1800 geladene Gäste Abschied von Altkanzler Helmut Schmidt genommen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel, Ex-US-Außenminister Henry Kissinger und Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz würdigten Schmidt in teils sehr persönlichen Erinnerungen als einen besonderen Menschen, dessen Tod eine Zäsur darstelle. Vor der aus Sicherheitsgründen abgesperrten Kirche St. Michaelis und auf den Straßen warteten Tausende Hamburger, um dem Ehrenbürger der Stadt „Tschüss“ zu sagen. Schmidt soll eingeäschert und dann im engsten Kreis im Familiengrab neben seiner Frau Loki, die 2010 gestorben war, beigesetzt werden.
Merkel bezeichnete Schmidt als eine „Instanz“. „Die Spuren, die er hinterlässt, sind tief“ sagte Merkel beim Staatsakt in dem mit Sonnenblumen, weißen Lilien und Hortensien geschmückten Michel. „Helmut Schmidt wird uns allen fehlen.“ Sein Tod erscheine irgendwie unwirklich. „Helmut Schmidts Tod ist für uns alle eine herbe Zäsur.“ Der SPD-Politiker und Publizist war am 10. November im Alter von 96 Jahren in der Hansestadt gestorben.
Schmidt habe sich größten Respekt erworben, sagte Merkel. Sein hohes Ansehen basiere auf seiner Verantwortung und seiner Bereitschaft, sich auch schwierigsten Aufgaben zu stellen. Auch aus der DDR heraus habe sie als gebürtige Hamburgerin das entschlossene Eingreifen Schmidts bei der Sturmflut von 1962 in Hamburg verfolgt. Merkel beendete ihre Rede mit dem Satz: „Lieber Helmut Schmidt, Sie werden uns fehlen.“
Kissinger nannte seinen Freund „eine Art Weltgewissen“. Er habe Mut und Visionen nie für sich reklamiert, aber sie verkörpert. Der aus Fürth stammende ehemalige US-Außenminister hielt seine Rede auf Deutsch. Kissinger sagte, zu Schmidts 90. Geburtstag habe er die Hoffnung ausgesprochen, dass der Altkanzler ihn überleben werde, „weil eine Welt ohne ihn eine sehr leere wäre“. Doch er habe sich geirrt. „Helmut wird bei uns bleiben, perfektionistisch, launisch, stets auf der Suche, fordernd, inspirierend, immer zuverlässig.“
Scholz würdigte den Parteifreund als größten Sohn der Hansestadt. „Wir haben einen Giganten verloren“, sagte Scholz. Es sei noch kaum vorstellbar, „dass wir künftig gesellschaftliche und politische Debatten ohne ihn werden führen müssen“.
Die Zeremonie im Michel wurde mit Liedern von Johann Pachelbel und Johann Sebastian Bach untermalt. Auf besonderen Wunsch Schmidts trug der Volkssänger Jochen Wiegandt das plattdeutsche Lied „Mien Jehann“ vor, in dem sich ein alter Mann wehmütig an die unbekümmerte Jugend erinnert.
Der in eine schwarz-rot-goldene Fahne gehüllte Sarg wurde von acht Trägern aus der Kirche gebracht. Dahinter gingen Bundespräsident Joachim Gauck und Schmidts Tochter Susanne. Nach einem militärischen Zeremoniell wurde der Sarg in einem langen Trauerzug durch die Stadt bis zum Ohlsdorfer Friedhof gefahren. Dabei erwiesen Tausende Menschen dem Hamburger Ehrenbürger die letzte Ehre, teils wurde der Zug mit Applaus begrüßt. Im Rathaus fand am Mittag ein Trauerempfang für geladene Gäste statt.
Schmidt war von 1974 und bis 1982 als Nachfolger von Willy Brandt Bundeskanzler. Dabei war er unter anderem mit der Ölkrise in den 1970er Jahren und dem Kampf gegen den Terrorismus der Roten Armee-Fraktion konfrontiert. Auch die Auseinandersetzung um den Nato-Doppelbeschluss prägte Schmidts Kanzlerschaft.