Statistik-Alarm: Deutschland vergreist
Berlin (dpa) - Deutschland vergreist - und hat in ganz Europa mittlerweile die älteste Bevölkerung. Im Jahr 2010 waren nur 13,5 Prozent seiner Menschen jünger als 15 Jahre - das war weniger als jeder siebte Bürger.
„Europaweit war das der geringste Anteil an unter 15-Jährigen an der Gesamtbevölkerung“, sagte am Mittwoch der Präsident des Statistischen Bundesamtes, Roderich Egeler, in Berlin. Weltweit habe nur Japan mit 13,4 Prozent einen noch geringeren Wert.
Neben Italien hat Deutschland in Europa nach seinen Worten zudem den höchsten Anteil an über 65-Jährigen. Dabei seien Zwergstaaten wie Monaco und der Vatikan allerdings ausgenommen. „Der Anteil jüngerer Menschen sinkt und der Anteil ältere Menschen nimmt stetig zu.“ Kamen 1980 auf 100 Erwerbsfähige nur 27 Menschen über 65 Jahren, waren es 2010 bereits 34 - und im Jahr 2030 dürften es voraussichtlich laut Egeler schon 53 sein.
Im internationalen Vergleich liegt Deutschland auch bei der Geburtenrate hinten: Pro 1000 Einwohner werden nur noch 8 Kinder geboren. „Weltweit hält Deutschland damit heute einen Negativrekord“, sagte Egeler bei der Vorlage des „Statistischen Jahrbuches 2012“. Seit etwa 40 Jahren reichten die Geburten nicht mehr aus, um die Elterngeneration zahlenmäßig zu ersetzen. Dies gelinge nur, wenn jede Frau im gebärfähigen Alter durchschnittlich 2,1 Kinder zur Welt bringe. Es seien momentan aber nur 1,4.
In den letzten fünfzig Jahren habe sich die Zahl der Geburten in etwa halbiert. Im Rekordjahr 1964 gab es 1,4 Millionen Neugeborene, 2011 kamen nur noch 663 000 Kinder in Deutschland zur Welt. „Damit wurde ein neuer Tiefstand erreicht“, sagte Egeler. Eine zahlenmäßig immer schmaler werdende Basis von nachwachsenden Generationen werde also die deutlich stärker besetzten älteren Jahrgänge schultern müssen.
Die zunehmende Alterung der Gesellschaft zeigt sich nicht nur in der sinkenden Geburtenzahl, sondern in der gleichzeitig steigenden Lebenserwartung. So nahm diese nach den Zahlen der Statistiker im Zeitraum von Anfang der 60er-Jahre bis 2010 für Jungen und Mädchen um jeweils elf Jahre zu: Für neugeborene Jungen auf zuletzt 78 Jahre, für Mädchen auf etwa 83 Jahre. Jede fünfte im Jahr 2010 gestorbene Frau war bereits 90 Jahre und älter. Die traditionelle Alterspyramide wird damit immer mehr auf den Kopf gestellt.
Egeler wies darauf hin, dass Zuwanderung die Alterung der Gesellschaft zwar verlangsamen, aber nicht stoppen kann. Selbst ein Wanderungsüberschuss von 300 000 Migranten wie im vergangenen Jahr reiche dafür nicht aus. Die Zuwanderer waren zuletzt knapp 35 Jahre alt - und damit im Schnitt etwa drei Jahre jünger als jene, die Deutschland verließen.
Dass die Bundesbürger immer älter werden, stellt die Gesellschaft nach Egelers Einschätzung vor große Herausforderungen. Vor allem in der Pflege. Denn der Anteil der Pflegebedürftigen steigt mit zunehmendem Alter deutlich: So waren 2009 rund 10 Prozent der 75 bis 79-Jährigen pflegebedürftig. Bei den 80- bis 84-Jährigen lag die Pflegequote bei 20 Prozent, bei den über 90-Jährigen schon bei 59 Prozent.
Insgesamt gab es zuletzt zwischen Ostsee und Alpen rund 2,3 Millionen Pflegebedürftige. Für das Jahr 2030 erwartet Egeler eine Zunahme auf rund 3,4 Millionen: Ein Plus von mehr als einer Million. 69 Prozent der pflegebedürftigen Menschen werden zu Hause - meist von Angehörigen - betreut. Der Rest lebt in Heimen.