Tagesmütter: Streit um den Kinderlärm
Dürfen Jungen und Mädchen in einer Eigentumswohnung betreut werden? Das Urteil fällt am Freitag.
Karlsruhe. Noch gut ein Jahr — dann haben Eltern für ihre unter dreijährigen Kinder einen Rechtsanspruch auf Betreuung. Aktuell fehlen aber noch 130 000 Plätze bundesweit, sagt das Familienministerium. Die Lücke ist viel größer, meinen die kommunalen Spitzenverbände.
Klar ist: Tagesmütter spielen eine zentrale Rolle. Sie sollen sich um ein Drittel der U-3-Zwerge kümmern. Viele sehen nun gespannt nach Karlsruhe. Der Bundesgerichtshof (BGH) entscheidet am Freitag, ob eine Kölner Tagesmutter fünf Kids bis zu drei Jahren in einer Eigentumswohnung betreuen darf.
Das Landgericht hatte im August 2011 „Nein“ gesagt — und einer genervten Hausbewohnerin recht gegeben. Das Gericht sieht „unzumutbare Beeinträchtigungen“ für Bewohner und Wohnungseigentümer.
Von „erhöhtem Lärmpegel, einer gesteigerten Besucherfrequenz, vermehrtem Schmutz (. . .) und einem erhöhten Müllaufkommen durch Windeln“ sei auszugehen. Die Tagesmutter und Mieterin hatte die Erlaubnis der Stadt Köln, aber nicht die große Mehrheit in der Wohnungseigentümer-Gemeinschaft auf ihrer Seite.
Der Deutsche Kindertagespflegeverein befürchtet weitreichende Folgen, falls das höchste deutsche Zivilgericht die Kölner Einschätzung teilt. „Dann würden sich sicher viele aus der Tagespflege zurückziehen“, glaubt der Vorsitzende Michael Kratz.
„Es wird wohl so sein, dass einige Tagesmütter und -väter ihren „kleinen Betrieb“ zumachen, wenn ihnen neue Auflagen gemacht würden.“ Und das wäre sofort spürbar, denn: „Die Tagespflege hat einen erheblichen Anteil an der Kinderbetreuung in Deutschland.“
Tagesvater Kratz hält die Rahmenbedingungen ohnehin nicht für rosig. „Es gibt keine Rechtssicherheit — unabhängig davon, ob wir die Kinder in Eigentumswohnungen, im eigenen Haus oder im Kindergarten betreuen. Wir sehen mit Schrecken immer wieder Beschwerden bei Ordnungsämtern oder Klagen von Anwohnern. Es gibt keine echte Toleranz gegenüber Kindern.“
Das vor einem Jahr geänderte Bundesimmissionsschutzgesetz — es soll Klagen gegen Kinderlärm erschweren — habe noch keine Trendwende gebracht.
Das Immissionsschutzgesetz habe Klagen gegen Kinderlärm immerhin erschwert — sofern er von draußen kommt, also vom Spielplatz oder Garten der Tagesmutter, sagt Eveline Gerszonowicz vom Bundesverband für Kindertagespflege. Spannend sei nun, inwieweit das Gesetz im BGH-Urteil bei Kinderlärm von drinnen — also aus der Tagespflege-Wohnung — zum Tragen kommt.