Thomas Oppermann meldet sich zurück
Der SPD-Fraktionschef hatte sich zuletzt stark zurückgenommen — offenbar aus Rücksicht auf die Union.
Berlin. Anfang Juni nutzte Thomas Oppermann bei einem abendlichen Beisammensein der norddeutschen SPD-Abgeordneten die Gelegenheit für eine kurze Ansprache. Da schien der Fraktionschef noch in der Phase der Selbstfindung zu sein. Denn seine Worte fielen müde aus, richtig zuhören wollten die Wenigsten. Der Auftritt passte zum Eindruck, den viele Beobachter in den vergangenen Monaten vom Niedersachsen gewonnen hatten: Oppermann galt in der Hauptstadt als abgetaucht.
Jetzt hat sich der 60-Jährige offenbar dazu entschlossen, die angezogene Handbremse wieder zu lösen. Allerdings mit Bedacht. Auf Bundesebene sei die Linkspartei „meilenweit“ von der Regierungsfähigkeit entfernt, ließ er am Wochenende in einem Interview wissen. Koalitionspolitisch, so Oppermann in der „Welt am Sonntag“, sei die Partei derzeit auf Bundesebene ein „Totalausfall“. Und zum Thema Mindestlohn betonte der Genosse, dass es „Feinjustierungen“, aber keine wesentlichen Änderungen am Gesetzentwurf von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) geben werde.
Das waren inhaltliche Botschaften, die Oppermann nach seiner politischen Abstinenz setzen wollte. Die eine schlagzeilenträchtig, weil markig gegen die Linkspartei und damit auch gegen Rot-Rot-Grün gehend. Die andere eher vorsichtig, weil sie sich an den Koalitionspartner Union richtete.
Der Grund für Letzteres ist schnell benannt: Er liegt in der Edathy-Affäre. Im Februar hatte Oppermann quasi für den Sturz des CSU-Landwirtschaftsministers Hans-Peter Friedrich gesorgt, nachdem er über vertrauliche Absprachen in der Causa des unter Kinderpornoverdacht stehenden SPD-Mannes Sebastian Edathy geplaudert hatte. Danach stand Oppermann selber an der Schwelle zum Rücktritt. Schon damals hieß es insbesondere von der CSU, das Vertrauen in den Fraktionschef der Sozialdemokraten lasse sich — wenn überhaupt — nur langsam wieder herstellen. Das erklärt die monatelange Zurückhaltung Oppermanns.
Es gab kaum deutlich wahrnehmbare Kommentare von ihm zu koalitionsinternen Streitereien, schon gar nicht Attacken auf den Koalitionspartner. Es muss eine schwere Last gewesen sein, die der Jurist mit sich herumgetragen hat. Denn in seiner Zeit als Fraktionsgeschäftsführer vor der Bundestagswahl galt er als scharfzüngiger Angreifer, als einer, der kein Blatt vor den Mund nimmt. Auch deswegen wurde Oppermann von Parteichef Sigmar Gabriel der Fraktionsvorsitz aufgedrängt, als es zur großen Koalition kam — obwohl der Niedersachse lieber Justiz- oder Innenminister geworden wäre.
Fortan sollte er die Handschrift der Sozialdemokraten in der Regierung herausstellen und verhindern, dass der Partei Ähnliches widerfährt wie in der großen Koalition 2005 bis 2009: Damals hatte man Erfolge, aber entweder nahm sie keiner wahr, oder sie gingen mit der Kanzlerin nach Hause. Doch bislang sind Oppermann die Hände gebunden gewesen. Das soll nun ein Ende haben.