Deutschland-Kongress Union spült ihren Migrations-Konflikt weich
Beim fünften ihrer sechs „Deutschland-Kongresse“ üben sich CDU und CSU zum Streit-Thema Migration in Konfliktvermeidung. Für ein gemeinsames Wahlprogramm reicht das nicht.
Bonn. Die ersten vier von sechs „Deutschland-Kongressen“ der Union, auf die CDU und CSU sich im Frühsommer geeinigt hatten, gingen im September und Oktober nahezu ohne öffentliche Wahrnehmung über die Bühnen von Messe- und Kongresshallen in Würzburg, Hamburg, München und Frankfurt. Für den fünften Kongress zum Streit-Thema „Migration“ unternahm die CDU-geführte Regie in Bonn am Mittwoch alles, damit es dabei bleibt.
Mit der CSU-Vizevorsitzenden und Europaabgeordneten Angelika Niebler, die gemeinsam mit Armin Laschet den Kongress leitete, schickte die bayerische Schwester keine Hardlinerin ins Rennen. Niebler tanzte verbal lediglich um den CSU-Kampfbegriff der „Obergrenze“ herum: Kein Staat könne „unbegrenzt aufnehmen“, sondern müsse die eigene Leistungsfähigkeit im Auge behalten, so Niebler, und Integration werde nur gelingen, „wenn wir auch zahlenmäßig eine Begrenzung haben“. Und so herrschte schnell ein unausgesprochener Konsens im früheren Bundestags-Plenarsaal: europäische Lösungen, nie mehr 2015.
Armin Laschet, demnächst Spitzenkandidat der NRW-CDU für die Landtagswahl, richtete den Blick zurück — in die Zukunft. Er erinnere sich an den TV-Film „Der Marsch“ aus dem Jahr 1990 über das Ausmaß der Flucht aus Afrika, so Laschet, der im Nachhinein den Eindruck einer Tagesschau-Meldung vom gestrigen Tag erwecke. Und als Lösung empfahl Laschet, was schon seit 1992 im EU-Vertrag von Maastricht vereinbart ist: Kohärenz, Koordination und Komplementarität.
Es komme jetzt darauf an, eine gemeinsame europäische Asyl- und Flüchtlingspolitik und einen gemeinsamen europäischen Schutz der Außengrenzen auf die Tagesordnung zu setzen. Er glaube, so Laschet, dass mehr Menschen bei der Flucht durch die Sahara ums Leben kämen als auf dem Mittelmeer: „Es gibt nur keine Fernsehbilder davon.“
Regelrecht weichgespült nahm sich eine Rede von Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) aus, der mit einem Teil seiner Formulierungen über „Afrikaner-Jungen“ im Süd-Sudan und die angeblichen persönlichen Ausgaben afrikanischer Männer für Drogen, Alkohol und Frauen eher in Gefahr war, eine Rede von Oettinger-artigem Skandal-Potential zu halten. Eine große Stütze der Obergrenzen-Position seiner Partei war Müller Mittwoch nicht. Wer glaube, er könne um das Wohlstands-Modell Deutschland eine Mauer errichten, dem sage er: „Das wird nicht gelingen. Wir müssen rausgehen.“
Für alle Fälle sah die Regie nach diesen Positionierungen eine Aufteilung in drei Workshops vor, von denen sich nur einer mit europäischer Asyl- und Flüchtlingspolitik befasste. Doch auch dort gerieten der Mönchengladbacher CDU-Bundestagsabgeordnete und Innen-Staatssekretär Günter Krings und Strauß-Tochter Monika Hohlmeier als CSU-Europaabgeordnete nicht wirklich aneinander. Krings betonte, wer nach Europa fliehe, dürfe sich sein Gastland nicht aussuchen können „Zur Zeit ist es eine sehr krude Auswahl“, die komme, so Krings. Monika Hohlmeier stieß ins gleiche Horn und forderte, Menschenhändler konsequenter zu bekämpfen. Sie sei sicher: „Am Ende werden wir nur über Kontingente zu einer europäischen Lösung kommen können.“
Da das Schlusswort anstelle von CDU-Generalsekretär Peter Tauber, der in Bonn gar nicht erschien, Armin Laschet überlassen blieb, wurde es auch nach mehr als dreistündiger Diskussion nicht mehr schärfer: „Es sind keine Blöcke, die sich da gegenüberstehen. Wir sind in vielem viel, viel enger beieinander, als viele Medien das schreiben.“ Und so wolle man das nun auch den Parteivorsitzenden berichten, so Laschet an Angelika Niebler.
Dass das „Beieinander“ den CSU-Parteitag am Wochenende übersteht, den CSU-Chef Horst Seehofer über die Rampe bringen muss, ohne die abwesende Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel zu sehr zu verdreschen, darf man bezweifeln. Denn ungeklärt ist auch nach dem gestrigen Bonner Kongress, mit welchen konkreten Aussagen die Schwester-Parteien in den Bundestagswahlkampf ziehen wollen.