Untersuchungsausschuss NSU: „Aktion Konfetti“ bleibt Rätsel

Aussagen erschüttern Ausschuss, geben aber keine Erkenntnisse zu Aktenvernichtung.

Berlin. Spricht er oder spricht er nicht? Er spricht. Der Zeuge, den die Öffentlichkeit nicht sehen soll, ist „auskunftswillig“. Zur Überraschung aller. Die Obleute des Bundestags-Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der Delikte der rechtsextremistischen Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) sind selbst erstaunt. Gut zwei Stunden haben sie jetzt jenen Referatsleiter beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) gehört, der im November 2011 das Schreddern von Akten mit geheimen Dossiers über V-Leute in der Thüringer Neonazi-Szene angeordnet hatte.

Nicht dass der Zeuge Konkretes im Detail verraten hätte, das war kaum zu erwarten. Gegen ihn läuft ein Disziplinarverfahren. Und selbst belasten muss er sich nicht. Aber er hat Einblick in die Arbeitsweise der Geheimen gegeben, eine Arbeitsweise, die manchen Abgeordneten staunen lässt.

Seine Darstellungen haben auch Auswirkung für den Zeugen, der nach ihm kommt: Heinz Fromm. Anfang dieser Woche hat er um seine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand gebeten — nach einer lange Strecke von Ermittlungspannen und Fehlern im Kampf gegen den Rechtsterrorismus in Deutschland.

Wann also löscht das Bundesamt für Verfassungsschutz Akten? Und nach welchen Kriterien? Unions-Obmann Clemens Binninger ist nach der Aussage des Referatsleiters einigermaßen fassungslos. Er spricht von „Lotterie“ im Amt. Manche Akten würden gelöscht, andere nicht. So jedenfalls habe es der Referatsleiter dargestellt. Grünen-Obmann Wolfgang Wieland findet die „Aktion Konfetti“ nun „noch mysteriöser“.

Dann kommt der Zeuge Heinz Fromm. Es ist das Ende einer langen, auch erfolgreichen Karriere auf allerhöchster Beamtenebene. 28 Minuten trägt er eine Erklärung vor, in der er nochmals Verantwortung für die Ermittlungspannen auch seiner Behörde übernimmt. Die Taten des NSU seien „in der Geschichte der Bundesrepublik ohne Beispiel“, so Fromm. Dass es den Rechtsterroristen gelingen können, über 13 Jahre in den Untergrund abzutauchen, „ist, ich bleibe dabei, eine schwere Niederlage für die deutschen Sicherheitsbehörden“. Und das, trotz ihrer langen Serie von Gewalt- und Kriminaldelikten und „zehn Exekutionen in sieben Jahren“.

Fromms Erklärung hört sich ehrlich an, liefert aber kaum neue Erkenntnisse. Die Frage nach dem Motiv für die Aktenvernichtung kann er nicht beantworten. Er liefert einen Erklärversuch, aber auch der ist nur dürftig.

Bei einer Besprechung drei Jahre zuvor hatte sich laut Fromm herausgestellt, dass „Beschaffungsakten“ — wie im Thüringer Fall — „nie vernichtet“ werden. Fromm habe dabei auf den Datenschutz verwiesen und auf die Pflicht zur Vernichtung nach 15 Jahren. Fromm: „Das Gesetz gilt für alle Akten.“ Ausschussvorsitzender Sebastian Edathy (SPD): „Das sah in der Praxis aber anders aus.“ Fromm: „In der Tat, ja.“ Fromm weiter: „Man kann nicht an einem solchen Tag, an dem jedem klar sein muss, was da los ist, so etwas machen.“ Es ist ein Offenbarungseid nach zwölf Jahren als Amtschef. Er sei von seinen eigenen Mitarbeitern „hinters Licht geführt worden“.