Vier Tage Papst - Benedikt XVI. in Deutschland

Rom/Berlin/Erfurt/Freiburg (dpa) - Am Brandenburger Tor und am Reichstag weht die gelb-weiße Flagge des Vatikans: Papst Benedikt XVI. kommt zu seinem ersten Staatsbesuch nach Deutschland.

Vier Tage lang besucht der deutsche Pontifex seine Heimat - Berlin, Erfurt und das Thüringer Eichsfeld sowie Freiburg im Südwesten. Mit Spannung werden Signale zur Ökumene erwartet. Doch zunächst gibt es am Donnerstag eine politische Premiere: Als erster Papst spricht Benedikt (84) in Zeiten der Schuldenkrise im Bundestag.

Im Berliner Olympiastadion werden wenig später 70 000 Gläubige zu einer Messe der Superlative mit dem katholischen Kirchenoberhaupt erwartet, die weltweit live übertragen wird. In Berlin trifft der in Bayern geborene Joseph Ratzinger auf Menschen zwischen Gottvertrauen und Kirchenferne. Zahlreiche Papstkritiker machen mobil.

Überall an den Reisezielen des Papstes gilt die höchste Sicherheitsstufe - wie bei einem Besuch von US-Präsident Barack Obama. Die Behörden rüsten sich für einen Mega-Einsatz mit insgesamt mindestens 16 000 Polizisten.

Der Streit um den Auftritt Benedikts im Bundestag ging auch am Mittwoch weiter. Der geplante Boykott der Rede des Pontifex durch etwa 100 der 620 Parlamentarier stößt bei Spitzenpolitikern von SPD und CDU auf Unverständnis. Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) sagte im Deutschlandfunk: „Mich bekümmert ein bisschen der aggressive Unterton und die öffentliche Aufregung, mit der das inszeniert wird.“ Der Rede des Papstes wollen Abgeordnete von SPD, Grünen und Linken fernbleiben, weil sie seinen Auftritt für unvereinbar mit der religiösen Neutralität des Staates halten.

Bundespräsident Christian Wulff hofft, dass die Kirche ihr Verhältnis zu geschiedenen und wiederverheirateten Katholiken ändert. „Die Millionen Menschen, die in konfessionsverschiedenen Ehen leben, und die Millionen wiederverheirateten Katholiken, aber auch viele andere Gruppen erwarten ... befreiende Botschaften“, sagte Wulff der Wochenzeitung „Die Zeit“ und der katholischen Nachrichtenagentur KNA.

Die katholische Kirche verweigert bisher wiederverheirateten Geschiedenen die Teilnahme an der Kommunion. Der geschiedene und wiederverheiratete Katholik Wulff ist als Bundespräsident Gastgeber des Papstes.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte die Kirchen auf, sich dem Veränderungsprozess in der Gesellschaft zu stellen. Vom Besuch von Papst Benedikt XVI. erwarte sie neue Impulse für die katholische Kirche, die vor großen Herausforderungen stehe, sagte Merkel bei einer CDU-Veranstaltung in Berlin. „Auf neue Fragen müssen wir neue Antworten finden. (...) Wir müssen uns dem Veränderungsprozess stellen.“

Deutschlands oberster Katholik Robert Zollitsch erwartet vom Papst positive Signale für die weitere Annäherung von katholischer und evangelischer Kirche. Schon der Treffpunkt im evangelischen Augustinerkloster zu Erfurt, in dem Martin Luther gelebt habe, sei ein Zeichen nach außen, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz im Deutschlandradio Kultur. In den ARD-„Tagesthemen“ sagte Zollitsch, die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche könne sich sehen lassen: „Es gibt keine Institution in Deutschland, die in ähnlicher Weise das schon getan hat.“

Die Berliner Innenstadt gleicht einer Hochsicherheitszone. Im Regierungsviertel wurden Gullydeckel verschweißt, Absperrgitter errichtet und weiträumige Parkverbote verhängt. Rund um die Vatikan-Vertretung im Stadtteil Neukölln, wo der Papst übernachten wird, müssen Anwohner ihre Ausweise vorzeigen, wenn sie in ihre Häuser wollen. Die Polizei hat die Anwohner aufgefordert, die Fenster zu schließen und ihre Balkone zu meiden. Das „Papamobil“ ist seit Wochenbeginn in Berlin und wird von Beamten des Bundeskriminalamtes bewacht.

Die Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Ilse Junkermann, forderte den Papst auf, den Protestanten den Status einer Kirche zuzugestehen. „Ich würde mich freuen, wenn zum äußerlichen Entgegenkommen des Papstes auch das theologische kommt, die reformatorischen Kirchen als Kirche anzusehen und sie nicht nur als kirchliche Gemeinschaften zu bezeichnen“, sagte Junkermann der „Mitteldeutschen Zeitung“.

Auch Begegnungen mit Vertretern der jüdischen Gemeinde und des Islam sind geplant. Wulff hofft, dass der Papst die Ökumene und den Dialog der Religionen unterstützt: „Ich würde mich freuen, wenn bei den Gesprächen mit den Muslimen und Juden etwas Verbindendes zur Allianz der Religionen gesagt würde.“ Ob auch ein Treffen mit Missbrauchsopfern zustande kommt, ist unklar.

Für Vizekanzler Philipp Rösler (FDP) ist Benedikt ein „hoch willkommener Gast“ in Deutschland. Er freue sich auf Anregungen und Denkanstöße des Papstes, teilte Rösler mit. Die SPD sieht den Papst als Verbündeten im Einsatz gegen ein Auseinanderdriften von Arm und Reich. „Wir sollten den Papst als politischen Bündnispartner sehen in der Frage der sozialen Gerechtigkeit“, betonte Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann.

Der Deutschland-Besuch des Papstes bis zum 25. September kostet allein die katholische Kirche 25 bis 30 Millionen Euro. Doch auch Kommunen, Bund und Ländern - also dem Steuerzahler - entstehen Millionenkosten.