Vor CDU-Parteitag: Weiter Streit um Mindestlohn

Berlin (dpa) - Vor dem CDU-Bundesparteitag hat Kanzlerin Angela Merkel ihre wirtschaftsnahe Position beim Thema Mindestlohn verteidigt. Zugleich schloss sie nicht aus, bei den Delegierten in Leipzig Anfang kommender Woche dafür keine Mehrheit zu finden.

„Das kann auf Parteitagen immer passieren“, sagte Merkel in einem am Samstag veröffentlichten Video-Interview der Mediengruppe Madsack.

Merkel hat sich zwar für einen Mindestlohn ausgesprochen, bevorzugt aber wie der CDU-Wirtschaftsflügel eine regional- und branchenspezifische Festlegung. Dem Parteitag liegt hingegen ein weiter gehender Antrag für eine verbindliche und flächendeckende, am Zeitarbeitstarif orientierte Lohnuntergrenze vor, der in der CDU viele Befürworter hat. Der Mindestlohn in der Zeitarbeitsbranche liegt derzeit bei 7,01 Euro pro Stunde im Osten und 7,89 im Westen.

Die FDP grenzt sich derweil vom Koalitionspartner ab: Vor dem am Samstag in Frankfurt/Main begonnenen FDP-Bundesparteitag ging Parteichef Philipp Rösler in der Mindestlohn-Debatte auf Konfrontationskurs zur CDU. Mit den Freidemokraten werde es „keinen flächendeckenden, allgemeinen Mindestlohn geben“, stellte der Vizekanzler und Wirtschaftsminister klar. Der Parteitag sollte einen entsprechenden Dringlichkeitsantrag des Vorstands beschließen.

Karl-Josef Laumann, Vorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), warb noch einmal für eine einheitliche Mindestlohn-Lösung. „Es gibt eine ganze Reihe von Branchen ohne Tarifverträge. Dort haben Gewerkschaften und Arbeitgeber ihren Job nicht gemacht. Jetzt ist es Zeit, Konsequenzen zu ziehen“, sagte er den „Ruhr Nachrichten“. Dadurch würden keine Jobs gefährdet.

Bundesumweltminister Norbert Röttgen schloss sich Laumann an. „Wir haben im CDU-Landesvorstand einen guten Kompromiss formuliert, den dann die Antragskommission der Bundespartei eins zu eins übernommen hat“, sagte der nordrhein-westfälische CDU-Landeschef dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Es gebe heute ein „überragendes gesellschaftliches Bedürfnis“ nach einer Lohnuntergrenze.

„Ich habe in dieser Diskussion meine Meinung, meine Überzeugung gesagt“, sagte Merkel. Sie sei dafür, der Tarifautonomie den größtmöglichen Raum einzuräumen. „Und wenn wir eine Branche, die Zeitarbeitsbranche, so herausheben aus der Tarifautonomie, dass wir sagen, daraus machen wir die allgemeine Lohnuntergrenze, dann schwächen wir andere Tarifpartner. Und das möchte ich nicht.“

Unions-Fraktionschef Volker Kauder unterstützte Merkel: „Ich halte es für falsch, einerseits zu sagen, die Tarifparteien sollen sich mit der Frage beschäftigen, ihnen dann gleich aber eine Vorschrift zu machen, woran sie sich orientieren sollen“, sagte Kauder der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.

Die Junge Union (JU) warb für ein stärkeres wirtschaftspolitisches Profil. Der JU-Vorsitzende Philipp Mißfelder warnte am Samstag in Singen beim Landestag des CDU-Nachwuchses von Baden-Württemberg, die Union werde in der Diskussion über die Höhe der Lohnuntergrenze den anderen Parteien immer hinterherlaufen. „Dann ist der Wettbewerb eröffnet: Wer bietet mehr?“ Der Bundestagsabgeordnete forderte: „Wir müssen die Wirtschaftskompetenz stärken.“

Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) sprach sich strikt gegen die Einführung eines allgemeinen Mindestlohns aus. „Die Union hat in der Vergangenheit aus guten Gründen einen allgemeinen Mindestlohn abgelehnt. Es wäre wirtschaftspolitisch kein überzeugendes Signal, davon jetzt abzuweichen“, sagte Söder der „Bild am Sonntag“.

Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) warb dagegen weiter für eine Mindestlohn-Festsetzung. Sie erinnerte daran, dass bereits unter Kanzler Helmut Kohl und Arbeitsminister Norbert Blüm (beide CDU) die Bauwirtschaft als erste Branche eine solche Regelung eingeführt habe. „Damals war das noch revolutionär. Heute ist der Mindestlohn für uns weder ein Schreckgespenst noch ein Allheilmittel für alle Probleme“, sagte sie der „Augsburger Allgemeinen“.

Auf dem Parteitag berät die CDU voraussichtlich am Montag über einen Antrag für eine verbindliche und flächendeckende, am Zeitarbeitstarif orientierte Lohnuntergrenze. Nach der Empfehlung der CDU-Antragskommission soll diese Lohnuntergrenze von einer Kommission aus Gewerkschaften und Arbeitgebern festgelegt werden.

Unionsfraktionsvize Michael Fuchs sagte der Nachrichtenagentur dpa, Lohnuntergrenzen müssten nach den Bedürfnissen der Regionen und Branchen festgelegt werden. „Mit einer solchen Lösung wären wir vom Wirtschaftsflügel einverstanden.“ Nach einer repräsentativen Umfrage im DGB-Auftrag sind 87 Prozent der Unionsanhänger für Mindestlöhne in allen oder bestimmten Branchen. In der Umfrage von Infratest dimap, die der „Passauer Neuen Presse“ vorliegt, sprachen sich 61 Prozent der befragten Unionsanhänger für einen flächendeckenden Mindestlohn aus. 26 Prozent sind für Lohnuntergrenzen in einzelnen Branchen.