Vor Kabinettsbeschluss Pro und Contra: Weiter Streit über das Bürgergeld

Berlin · Für die einen ist es viel zu niedrig angesetzt, andere finden, das geplante Bürgergeld könnte demotivierend wirken auf diejenigen, die für wenig Geld arbeiten. Vor dem Kabinettsbeschluss zum geplanten Bürgergeld ebbt die Debatte über das Pro und Contra nicht ab.

Das Bürgergeld soll zum 1. Januar das heutige Hartz-IV-System ablösen.

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Vor dem Kabinettsbeschluss zum geplanten Bürgergeld haben Arbeitgeber und Vertreter von Sozialverbänden die Pläne erneut kritisiert. Die Wirtschaft warnte davor, dass die neue Sozialleistung Anreize verringern könnte, eine Arbeit aufzunehmen. Der Sozialverband Deutschland forderte dagegen noch deutlich höhere Sätze beim Bürgergeld. Vertreter der Ampel-Koalition verteidigten die Pläne.

Das Bürgergeld soll zum 1. Januar das heutige Hartz-IV-System ablösen. Geplant ist ein Regelsatz von 502 Euro im Monat für alleinstehende Erwachsene. Der Hartz-IV-Satz liegt im Moment bei 449 Euro im Monat.

Beim Bürgergeld sollen weniger strenge Auflagen gelten, zum Beispiel bei den Vorgaben zur Größe der Wohnung und beim Schonvermögen, das nicht auf die Leistung angerechnet wird. Es sind bessere Hinzuverdienstmöglichkeiten geplant. Menschen, die Bürgergeld beziehen, soll eine „Vertrauenszeit“ von einem halben Jahr gewährt werden, in der sie keine Leistungskürzungen befürchten müssen, auch wenn sie beispielsweise Termine im Jobcenter verstreichen lassen.

Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) kritisierte diesen Punkt. „Bisher sollte die Grundsicherung denen helfen, die sich nicht selbst helfen können. Das wird durch diese Karenzzeit aufgeweicht“, sagte der IW-Ökonom Holger Schäfer den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Es sei eindeutig nachgewiesen, dass die Sanktionen in der Regel eine schnellere Eingliederung in den Arbeitsmarkt bewirkten.

Deutliche Kritik kam auch von Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger. Er nannte das Bürgergeld am Dienstag eine „fatale Wegmarke“. „Es ist kein Zeichen von Fairness und Respekt gegenüber den arbeitenden Menschen“, sagte Dulger in Berlin. Durch das Bürgergeld werde keine Brücke in die Arbeit gebildet, sondern ein Weg ins Sozialsystem gestartet. Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer hatte von Demotivation bei denjenigen gewarnt, die für wenig Geld regulär arbeiten. Viele fragten sich, warum sie morgens um 7 Uhr schon arbeiten sollten, wenn Bürgergeld-Bezieher fast das Gleiche bekämen.

Ganz anders sieht das der Sozialverband Deutschland (SoVD). Die Vorsitzende Michaela Engelmeier sagte den Funke-Zeitungen, sie sei von der Höhe des Bürgergelds enttäuscht. „Hier bleiben wir bei unserer Forderung: 650 Euro ab dem 1. Januar und 100 Euro sofort für den Übergang.“ Die Betroffenen litten schon jetzt unter explodierenden Preisen und einer immer weiter steigenden Inflation. Gerade für Kinder die Regelsätze nur minimal anzuheben, reiche nicht aus.

Vertreter der Ampel-Koalition verteidigten die Pläne am Dienstag. SPD-Chef Lars Klingbeil sagte im Sender Welt mit Blick auf die aktuelle Krisensituation und den Zulauf bei den Lebensmittel-Tafeln, 50 Euro mehr pro Monat pro Person seien ein erheblicher Schritt nach vorne. „Das wird sehr vielen Menschen in diesem Land helfen.“

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sprach im „Münchner Merkur“ von einem großen Vorhaben, für das man lange gekämpft habe. „Das neue Bürgergeld setzt auf Qualifikation und verstärkt die Arbeitsanreize durch bessere Möglichkeiten zum Hinzuverdienst.“ Der erhöhte Regelsatz sei nichts anderes als eine „eine faire Anpassung an die Inflation“.

Das Bundeskabinett wird das Bürgergeld an diesem Mittwoch voraussichtlich auf den Weg bringen. Anschließend müssen Bundestag und Bundesrat sich noch damit befassen.

(dpa)