Wahlen in #MeckPomm Wahlnachlese: Der Hoffnungsschimmer strahlt bis ins Willy-Brandt-Haus
Die SPD grenzt sich in der Flüchtlingspolitik ab und erhöht den Druck auf Merkel.
Berlin. Bisher konnte sich Angela Merkel in der Flüchtlingsfrage zwar nicht auf die CSU, umso mehr aber auf die SPD stützen. Das ist mit den Wahlerfolgen der AfD offenbar vorbei. Die Sozialdemokraten gehen zunehmend auf Distanz zur Kanzlerin, wie sich am Tag nach dem Urnengang in Schwerin bei den Beratungen der Parteiführung in Berlin zeigte. Allerdings mit einer etwas komplizierten Argumentation.
Der eher dröge wirkende neue und alte Ministerpräsident Erwin Sellering wurde im Willy-Brandt-Haus wie ein Popstar gefeiert; die Mitarbeiter standen im Treppenhaus und klatschten, die ganze Parteiführung bezog auf der Bühne Stellung. Von Sigmar Gabriel bis Martin Schulz, Thomas Oppermann bis Parteivize Thorsten Schäfer-Gümbel. Letzterer humpelnd, Mittelfußanbruch. Mit einem "klaren Kurs" habe die Sozialdemokratie Erfolg im Norden gehabt, lobte Parteichef Gabriel den Wahlkampf Sellerings.
Mit den gleichen Worten hatte er im März freilich auch die Siegerin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer bedacht. Das Problem: Während Dreyer die Flüchtlingspolitik Merkels rückhaltlos unterstützt hatte, war sie von Sellering massiv kritisiert worden. Auf die Frage, welchen klaren Kurs er denn nun meine, holte Gabriel länger aus - und markierte die neue Linie im Verhältnis zur Kanzlerin. Die habe immer nur gesagt "Wir schaffen das", aber nicht wie. Die SPD hingegen habe das frühzeitig thematisiert und sei von der Union nur hingehalten worden. "Es hat eineinhalb Jahre gedauert bis zum Integrationskonzept und eineinhalb Jahre, bis die Länder mehr Geld bekamen", kritisierte Gabriel. "Es wurde viel Zeit verloren. Das ist unsere Kritik". Die gewisse Unbestimmtheit - offen für Flüchtlinge, zugleich aber auf der Seite der Kritiker - ist nun Strategie.
Gabriel nimmt neuerdings sogar das Wort "Obergrenze" in den Mund, freilich als unklare Obergrenze für die Integrationsfähigkeit. Die SPD will als die Partei wahrgenommen werden, die die sozialen Verwerfungen beachtet, die dafür sorgt, "dass nicht alles nur den Zuwanderern zur Verfügung steht, sondern dass wir auch allen anderen Menschen helfen". Erneut forderte Gabriel am Montag einen "Solidarpakt" für Deutschland und nannte Themen wie die Entgeltgleichheit oder das Unterhaltsvorschussgesetz. Die SPD nutzt Merkels momentane Schwäche, um für ihre Projekte Druck zu machen. Gabriel: "Wir sind die Experten für sozialen Zusammenhalt".
Sollte SPD-Mann Michael Müller in zwei Wochen als Regierender Bürgermeister von Berlin bestätigt werden, wird er womöglich vom Vorsitzenden auch fürs "Kurs halten" gelobt werden. Müller freilich, ein erklärter Befürworter der Merkelschen Flüchtlingspolitik, sieht die Gründe für einen möglichen Erfolg schon jetzt ganz woanders: "Die Menschen vertrauen in diesen Zeiten dem Amtsinhaber", sagte er zum Ergebnis von Schwerin. Er hofft es jedenfalls für sich.