Westerwelle geht von Bord
Der scheidende Vorsitzende hält eine engagierte Abschiedsrede. Die Delegierten danken ihm mit siebenminütigem Applaus.
Rostock. An der FDP-Basis rumort es. Gleich zu Beginn des Bundesparteitages in Rostock wollen einige Liberale zeigen, was sie vom Machtkampf und der Personal-Rochade der vergangenen Wochen halten. Zur Begrüßung von Noch-Parteichef Guido Westerwelle spielt eine Gruppe vor dem Eingang die „Reise nach Jerusalem“. Da ist Einsatz gefragt, geht es doch um so lukrative (Stuhl)-Posten wie Partei- oder Fraktionsvorsitz. Westerwelle würdigt die jungen Leute keines Blickes.
Der Außenminister steht unter Druck, die Anspannung ist ihm anzusehen. Hier in der Hansestadt werden die rund 651 Delegierten nicht nur über den künftigen Kurs der Partei entscheiden, sondern auch ihr Urteil fällen über den einstigen Hoffnungsträger der Liberalen.
Schonungslos resümiert der stellvertretende Bundesvorsitzende Rainer Brüderle: „Wir haben Wahlen und Glaubwürdigkeit verloren.“ Geänderte Positionen seien „nicht ausreichend begründet worden“, sagt er und spielt damit auch auf die Kehrtwende der FDP in der Atompolitik an.
Wie ein Damoklesschwert liegt der Vorstoß von Fraktionsvize Martin Lindner über der Veranstaltung, die Delegierten abstimmen zu lassen, ob Westerwelle seinen Kabinettsposten abgeben soll. „Dein voller Einsatz im Amt des Außenministers wird gebraucht“, ruft Brüderle und ergänzt: „Der größte Sieg der FDP bei einer Bundestagswahl wird immer mit deinem Namen verbunden sein.“
Um 12.14 Uhr ist es dann soweit. Guido Westerwelle tritt ans Rednerpult. „Ja“, er habe Fehler gemacht. „Aber ich stehe für jeden einzelnen gerade.“ Dem neuen Parteichef Philipp Rösler verspricht er: „Ich werde meinem Nachfolger nicht ins Lenkrad greifen.“ Bissig rechnet Westerwelle mit der Opposition ab. In seinen zehn Jahren an der FDP-Spitze habe er „allein sechs SPD-Vorsitzende überlebt. Und das im wahrsten Sinne des Wortes“. Bei den Grünen seien es wohl an die 20, die er „erlitten“ habe. „Die sollen uns nichts über Stabilität erzählen“, sagt Westerwelle zur Erheiterung des Plenums.
In seiner letzten Rede als Vorsitzender arbeitet der 49-Jährige klassische liberale Themen ab. Es geht um Freiheit des Einzelnen, um die Wahrung der Bürgerrechte („die heilige Aufgabe der FDP“) und gegen die „Gleichmacherei in der Bildungspolitik“. Vehement verteidigt er das deutsche Nein im UN-Sicherheitsrat zum Libyen-Einsatz.
64 Minuten redet der Minister, in denen er den internen Machtkampf weitgehend ausklammert. Nur so viel: „Manchmal muss die Partei auch vor einem stehen.“ Und seine letzte Rede als Parteichef der Liberalen beendet er mit seinem (abgewandelten) legendären Zitat: „Auf jedem Schiff, das dampft und segelt, gibt es einen, der es regelt. Das bin ich jetzt nicht mehr.“
Es folgen sieben Minuten stehende Ovationen, die politische Laufbahn des 49-Jährigen wird in Bildern eingeblendet. Guido Westerwelle steht bewegt auf der Bühne, winkt noch ein letztes Mal, hebt den Daumen. Dann tritt er ab.