Wirtschaftsminister Pinkwart findet Quote für E-Autos unsinnig

Andreas Pinkwart, neuer Wirtschaftsminister in NRW, über die Digitalisierung, Gründergeist, Studiengebühren und die Zukunft des Autofahrens.

Foto: Andreas Fischer

Herr Pinkwart, Sie waren schon mal — von 2005 bis 2010 — Minister in Nordrhein-Westfalen. Danach dann Rektor und Lehrstuhlinhaber an der Leipzig Graduate School of Management. Und nun sind Sie wieder Minister in NRW. Warum der Schritt zurück in die Politik?

Andreas Pinkwart: Der Parteivorsitzende der FDP, Christian Lindner, hat mich gefragt und schnell überzeugt. Politik lebt auch davon, dass sie im Austausch steht mit der Gesellschaft und sich nicht entkoppelt. Da kann auch ein Wechsel sehr nützlich sein. Hinzu kam, dass Christian Lindner es geschafft hat, die Partei wieder so weit nach vorn zu bringen. Das ist ein Glücksfall und für mich eine starke Motivation, diese Entwicklung der Partei nachhaltig mitzugestalten.

Was ist der Unterschied zwischen Schwarz-Gelb damals unter Regierungschef Jürgen Rüttgers und jetzt unter Armin Laschet (beide CDU)?

Pinkwart: Damals war es für alle Beteiligten eine Premiere. Jetzt sind einige dabei, die schon Erfahrung mitbringen. Das gibt ein Stück Normalität und Gelassenheit. Zudem können wir an Themen anknüpfen, die wir damals angestoßen haben — zum Beispiel die Hochschulfreiheit und die Förderung des Start-up-Potenzials aus Hochschulen. Was hier alles möglich ist, sehen wir beispielgebend an der Bergischen Uni Wuppertal als seit Langem führender Gründerhochschule.

Beim Thema Forschung und Entwicklung steht NRW im Vergleich zu anderen Bundesländern schlecht da. Was lässt sich da machen?

Pinkwart: Der Anteil der Ausgaben der Wirtschaft für Forschung und Entwicklung liegt nur bei 1,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Hier müssen wir uns nach vorne arbeiten und das große Potenzial von NRW mit der einzigartigen Mischung aus exzellenten Forschungseinrichtungen, Dax-Unternehmen, Hidden Champions und innovativen Mittelständlern stärker entwickeln. Das Gründerzentrum „bizeps“ an der Bergischen Universität Wuppertal ist dafür ein gutes Beispiel als regionales Kompetenznetzwerk für Gründer aus Hochschulen.

Ein Schwerpunkt Ihrer Aufgabe wird sein, die Digitalisierung im Land voranzutreiben. Bevor Sie dazu etwas sagen: Wie ist Ihr ganz grundsätzlicher Blick auf Chancen und Risiken — wird das Arbeitsplätze kosten, oder bietet das verbesserte Arbeitsmarktaussichten?

Pinkwart: Im Ergebnis können wir uns an dem orientieren, was die Industrielle Revolution und auch die erste informationelle Revolution uns gezeigt haben. Zwar wird es kurz- und mittelfristige Anpassungsprozesse geben. Aber vor Beginn der Industriellen Revolution vor 200 Jahren waren die Menschen zu 99 Prozent in der Landwirtschaft tätig. Heute ist es noch ein Prozent, wir werden trotzdem satt und die übrigen 99 Prozent haben Arbeitsplätze in anderen Branchen. Auch bei der Automatisierung vor 30 Jahren gab es Bedenken in Richtung Arbeitsplatzverluste. Heute haben wir beinahe Vollbeschäftigung. Dabei ist es wichtig, dass NRW noch eine funktionierende Industrielandschaft hat, um die herum moderne und spannende Arbeitsplätze entstanden sind. Das im Zuge der digitalen Revolution zusammen zu denken, ist die Herausforderung. Dafür haben wir in NRW gute Voraussetzungen, weil die gesamte Wertschöpfungskette noch vor Ort ist.

Pinkwart: Über 82 Prozent unserer Haushalte sind mit Internetanschlüssen von mindestens 50 Mbit/s versorgt. In den Ballungsräumen teilweise noch mehr. Aber natürlich muss auch der ländliche Raum flächendeckend versorgt werden. Die dazu notwendigen Investitionen werden wir in den kommenden Jahren auch mit Hilfe des Bundes vorantreiben.

Pinkwart: Wir wollen bis 2025 flächendeckend ein schnelles, möglichst glasfaser-gestütztes Netz haben. Derzeit liegen wir bei nur sieben Prozent. Bis 2025 wollen wir hier bis zu sieben Milliarden Euro mobilisieren. Der Anschluss von Gewerbegebieten und Schulen an Glasfaser hat dabei oberste Priorität.

Die schwarz-gelbe Regierungskoalition will Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer einführen. Wie viel bringt das und ist das der richtige Weg?

Pinkwart: Wir wollen eine zusätzliche Finanzierungsperspektive für die Hochschulen. Diese können sich dann intensiver um alle Studenten und die Nicht-EU-Auslandsstudenten kümmern, bei denen die Abbrecherquote zu hoch ist. Es geht um 1500 Euro pro Semester, in Summe erhalten die Hochschulen so bis zu 100 Millionen Euro zusätzlich pro Jahr.

Aber schreckt das Studenten aus dem Ausland nicht ab?

Pinkwart: Länder wie China, Indien oder die USA kennen alle Studiengebühren. Dort wird unterstellt, dass es nur dann eine gute Qualität gibt. Im Ausland sind die entsprechenden Gebühren für Nicht-EU-Ausländer wesentlich höher. Wir möchten wirklich gute Studenten gewinnen und sie dann auch zu einem erfolgreichen Abschluss bringen. Dabei helfen die Gebühren. Am Ende profitiert auch unsere Gesellschaft davon, denn wir brauchen gut ausgebildetes Fachpersonal. Zudem gibt es natürlich Ausnahmen wie etwa für Flüchtlinge oder Studierende aus Entwicklungsländern.

Sie haben gesagt, dass NRW die Nummer Eins bei E-Mobilität werden soll. Ist das nicht gerade für einen wichtigen Teil der heimischen Industrie ein Risiko: für die starke Zulieferer-Industrie in NRW? Weil E-Mobile gar nicht mehr in dem Maße auf die zugelieferten Teile angewiesen sind?

Pinkwart: Das wird eine Herausforderung für die Zuliefererindustrie. Doch die Entwicklung kommt nicht über Nacht, es wird ein fließender Übergang sein. Zu glauben, dass sich die Automobilität nicht verändern wird, halte ich für einen großen Fehler — nicht nur aus Umweltgründen, sondern auch, weil man Fahrzeuge in Zukunft mit weniger Teilen und weniger Arbeitsstunden wird bauen können. Ebenso wird sich das autonome Fahren schneller technisch realisieren lassen als gedacht, was möglicherweise auch die Anzahl der Fahrzeuge auf unseren Straßen vermindern wird.

Und was heißt all das für die Zuliefererindustrie?

Pinkwart: Sie muss ermessen, welche Geschäftsfelder sich entwickeln und wie sie sich in diesen engagieren kann. Es wird in der neuen Welt ja auch neuen Bedarf geben. Die Dynamik beim Ausbau der Ladeinfrastruktur in Deutschland hinkt deutlich hinter den Aktivitäten anderer Länder, wie zum Beispiel China, hinterher. Auch das Thema Batterie muss auf die Tagesordnung. Wir wollen die Technologie hier weiterentwickeln und produzieren.

Eine Chance also, vom Zuliefererland NRW sogar zum Autoproduzentenland zu werden?

Pinkwart: Warum nicht? Wir könnten NRW in der Automobilwelt der Zukunft neu positionieren.

Was halten Sie von einer Quote für Elektro-Autos, die SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz angeregt hat?

Pinkwart: Gar nichts, das ist Planwirtschaft. Ich setze darauf, dass die Hersteller ihre Angebote verbessern und wir massiv die Infrastruktur vorantreiben — mehr Stromzapfsäulen, Umstellung des ÖPNV-Fuhrparks auf Elektromobilität und anderes. Da ist Deutschland gut beraten, richtig Gas zu geben.