Zahlen reiche Städte bald „Soli“ für ärmere?

Ein Gutachten zeigt Wege aus der Finanzmisere der Kommunen auf. Ein Solidaritätsbeitrag ist Teil des Konzepts.

Düsseldorf. „Es ist nicht fünf vor zwölf, sondern eher zehn nach zwei.“ Martin Junkernheinrich (Techn. Uni Kaiserslautern) griff zu deutlichen Formulierungen, um klar zu machen, wie schlecht es um die kommunalen Finanzen in Nordrhein-Westfalen bestellt ist.

Am Dienstag stellte der Finanzwissenschaftler gemeinsam mit seinem Kollegen Thomas Lenk (Uni Leipzig) ein Gutachten für die Landesregierung vor. Es liest sich wie ein dringender Aufruf zum Handeln: Wenn jetzt nicht gegengesteuert wird, so der Tenor, seien die Finanzen vieler Städte und Gemeinden schon in wenigen Jahren nicht mehr zu retten.

Das Gutachten, auf dessen Basis Innenminister Ralf Jäger (SPD) mit Vertretern der kommunalen Spitzenverbände und der Landtagsfraktionen beraten will, sieht bei den Kommunen bis 2020 eine strukturelle Finanzlücke von jährlich 2,1 Milliarden Euro. Diese Lücke könnten nur Bund, Land und Kommunen in einem gemeinsamen Kraftakt schließen, betonte Junkernheinrich.

Die Professoren rechneten vier mögliche Varianten durch — je nachdem, wie hoch der Anteil des Bundes am Entschuldungsprogramm ausfällt. Sie empfehlen jedoch, dass der Bund den größten Anteil übernimmt. Auch Landesinnenminister Jäger betonte, dass die zugesagte Kostenübernahme für die Grundsicherung im Alter im Zuge des Hartz-IV-Kompromisses (gut 900 Millionen Euro pro Jahr) nur ein erster Schritt sein dürfe. Zudem kritisierte er, dass diese Entlastung erst 2014 voll greift.

Neben dem Land und den finanzschwachen Kommunen selbst sollen aber auch finanzstärkere Städte und Gemeinden laut Gutachten einen Beitrag leisten. Die Autoren gehen von 350 bis 550 Millionen Euro pro Jahr aus, die nach ihrer Einschätzung rund 60 Kommunen in NRW zusammen aufbringen könnten.

Martin Junkernheinrich sagte, dass dieser Solidaritätsbeitrag befristet sein müsse und nicht zu hoch ausfallen dürfe, damit gut wirtschaftende Kommunen nicht „bestraft“ würden. Er erläuterte aber ebenso, dass auch reichere Kommunen von der vom Bund zugesagten Entlastung bei den sozialen Kosten profitieren werden.

Innenminister Jäger betonte, dass über all’ diese Vorschläge nun ergebnisoffen diskutiert werde. Die Städte und Gemeinden könnten aber nur aus ihrer Finanzmisere finden, wenn der Bund die Hälfte der Soziallasten in den kommunalen Haushalten übernehme.