Zentralrat will Deutsche „nicht schuldig sprechen“
Frankfurt/Main (dpa) - Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, sieht Fortschritte im Verhältnis zwischen Deutschen und Menschen jüdischen Glaubens. Die Zuwanderung aus dem Osten sei ein Beweis dafür, sagte Graumann der Nachrichtenagentur dpa in Frankfurt.
„Wenn jüdische Menschen heute wieder bereit sind, ihre Zukunft und die Zukunft ihrer Enkel diesem Land anzuvertrauen, dann ist das doch ein enormes Kompliment für die Menschen in Deutschland“, so Graumann.
An diesem Mittwoch (9. November) gedenkt Deutschland der Pogromnacht. Anfang November 1938 wurden hunderte Menschen jüdischen Glaubens ermordet, Synagogen zerstört, Geschäfte und Wohnungen verwüstet. Die Pogromnacht gilt als Übergang von der Diskriminierung zur systematischen Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden.
Sieben Jahrzehnte später sagt Graumann: „Man darf die deutsche Gesellschaft von heute nicht schuldig sprechen (...) Was können die Menschen im Deutschland von heute dafür, was damals geschehen ist?“ Allerdings stehe jeder Deutsche auch „in einer Verantwortungsgemeinschaft: für Beethoven, für Schiller, für Klinsmann, für Jogi Löw, aber eben auch für Goebbels und Himmler“.
Den Mitgliedern der jüdischen Gemeinden in Deutschland rät Graumann: „Wir müssen weg von dieser Shoah-Bunker-Mentalität“. Seine Generation sei „aufgewachsen mit einem verqueren, verquasten, verkrampften Verhältnis zu Deutschland“, sagt der 1950 in Israel geborene Graumann. In den vergangenen Jahren sei „einiges erreicht worden“. Er habe erlebt, wie junge Menschen bei einem jüdischen Sportfest „mit lauten, fröhlichen "Deutschland, Deutschland"-Rufen und schwarz-rot-goldenen Trikots“ aufmarschierten. „Das hat mich sehr bewegt. Wie schön ist das doch, wie unverkrampft!“