Interview: DGB-Chef Sommer droht Union und FDP

Der Gewerkschaftschef warnt vor sozialem Kahlschlag unter Schwarz-Gelb. Dies würden die Gewerkschaften nicht akzeptieren.

60 Jahre DGB und der Start der schwarz-gelben Koalitionsverhandlungen an einem Tag. Beziehungsreicher Zufall?

Sommer: In der Geschichte der Bundesrepublik und des DGB gab es immer ein Auf und Ab. Wir haben Schwarz-Gelb nicht gewollt. Aber wir akzeptieren das Ergebnis demokratischer Wahlen und werden mit jeder Regierung konstruktiv zusammenarbeiten, auch mit dieser.

Wenn Sie dem Koalitionsvertrag von Union und FDP eine Überschrift geben müssten, wie würde sie lauten?

Sommer: Allen Menschen helfen, nicht nur den Reichen! Frau Merkel ist gut beraten, an die letzten Monate der Großen Koalition anzuknüpfen. Diese gute Arbeit muss fortgeführt werden. Man kann es aber auch leicht kaputtmachen.

Was verbindet Sie mit der FDP?

Sommer: Bis auf den Teil der liberalen Bürger- und Freiheitsrechte im Wahlprogramm trennt uns so ziemlich alles. Wir halten die Steuersenkungsverheißungen für fatal, weil sie zu einem armen Staat und zur Umverteilung von unten nach oben führen. Tarifautonomie, Mitbestimmung, soziale Sicherungssysteme, Mindestlöhne - wenn sich die FDP da überall durchsetzen würde, wäre das wirklich der Weg in eine andere Republik.

Tut sie nicht, das wissen Sie doch.

Sommer: Die FDP wird es mit diesem Wahlergebnis im Rücken ganz sicher versuchen. Darum tun wir alles, um die Flanke in der Union zu stärken, die eine soziale Balance will.

Ist das denn nötig? NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers versucht sich als Neo-Arbeiterführer und schließt Zumutungen aus.

Sommer: Der Titel Arbeiterführer bleibt ausschließlich Interessenvertretern der Arbeitnehmerschaft vorbehalten. Aber es stimmt schon, NRW-Arbeits- und Sozialminister Karl-Josef Laumann hat sich immer wieder für die Interessen der Beschäftigten eingesetzt.

Das müsste Sie gelassen stimmen.

Sommer: Nein. Ich kann das tatsächliche Kräfteverhältnis in der Union, zwischen dem Wirtschaftsflügel, der erschreckend große Schnittmengen zur neoliberalen FDP-Politik hat, und dem Arbeitnehmerflügel, nicht wirklich einschätzen. Das werden spannende Verhandlungen.

Wie weit wird der DGB gehen, wenn die neue Merkel-Regierung die soziale Balance nicht herstellt, wenn der Sozialstaat einem Kassensturz unterworfen wird?

Sommer: Ich mache jetzt keine Ankündigungen. Aber: Eine von uns für falsch gehaltene Politik werden wir nie akzeptieren. Und da gibt es geeignete Mittel, das zum Ausdruck zu bringen.

Im Frühjahr sind Sie schwer gescholten worden, als Sie im Zuge der Finanzkrise soziale Unruhen befürchteten. Hat ihr Kollege, Verdi-Chef Frank Bsirske, Recht, wenn er jetzt eine enorme soziale Zuspitzung vorhersagt und fordert, es sei Zeit "aufzustehen".

Sommer: Das FDP-Programm zielt ganz klar auf eine Zuspitzung der sozialen Auseinandersetzungen, da hat Frank Bsirske Recht. Aber man muss abwarten, wie sich die Koalition verhält, was sie beschließt. "Aufstehen" heißt im übrigen nicht politischer Streik - sondern Wahrnehmung demokratischer Rechte.