Interview mit dem Innenminister: Die rechte Szene im Blick
Hans-Peter Friedrich (CSU) über rechten Terror und die Frage des NPD-Verbots.
Herr Friedrich, sind die Sicherheitsbehörden auf dem rechten Auge blind?
Friedrich: Nein. Wir haben die rechtsextremistische Szene sehr genau im Blick. Seit geraumer Zeit registrieren wir einen Anstieg des rechtsextremistischen Gewaltpotenzials sowie der Bereitschaft, Gewalt auch zur Durchsetzung der eigenen politischen Ziele einzusetzen. Die Bundesregierung hat Programme gegen den Rechtsextremismus aufgelegt. Nein: Wir sind gewiss nicht blind, was die Gefahren von Rechtsaußen angeht.
Finden Sie die Reaktion der Thüringer Verfassungsschützer angemessen?
Friedrich: Die Thüringer Sicherheitsbehörden müssen schon erklären, warum in 1998 das Trio für 13 Jahre lang abtauchen konnte. Die Zuständigkeit lag immer bei den Thüringer Behörden. Der thüringische Landesinnenminister hat jetzt eine Kommission eingesetzt, um die Hintergründe umfassend zu klären. Dies begrüße ich sehr.
Neun Zuwanderer sind ermordet worden. Gehen die Sicherheitsbehörden zu schnell von Verbrechen im kleinkriminellen Milieu aus?
Friedrich: Man dachte vor allem an Auftragsmorde aus dem Bereich der organisierten Kriminalität; jedoch ist durchaus auch eine rassistische Motivation eines einzelnen Täters nicht ausgeschlossen worden. Daher hat man auch im Opferumfeld nach Hinweisen auf rechtsextreme Motivation recherchiert. Ein Umstand allerdings erschwerte das Ganze: Es gab nie einen Bekennerbrief oder ähnliches. Das ist ungewöhnlich, denn Terror will regelmäßig Angst erzeugen.
Die Täter kommen aus dem Osten: Ist die DDR ein Nährboden für rechtsextreme Gewalt?
Friedrich: Das letzte bundesweit erstellte Lagebild Rechts unterstützt diese Aussage in dieser allgemeinen Form jedenfalls nicht. Vielmehr können wir feststellen, dass es in allen Teilen der Bundesrepublik stärker und weniger stark belastete Gebiete gibt.
Würden Sie ein zweites NPD-Verbotsverfahren unterstützen?
Friedrich: Um das klar zu machen: Die NPD ist meiner Ansicht nach eine verfassungswidrige Partei. Beim ersten Verfahren hat das Bundesverfassungsgericht jedoch die herausragende Bedeutung des Grundsatzes des ordnungsgemäßen Verfahrens den Antragstellern sehr deutlich gemacht. Um diesem Rechnung zu tragen, müsste man alle V-Leute zurückziehen. Das damit verbundene, erhebliche Risiko muss sorgfältig abgewogen werden. Die Prüfaussage der Bundeskanzlerin nehme ich jedenfalls sehr ernst.
Themenwechsel: Sie haben bei Ihrem Amtsantritt gesagt, es fänden sich keine Belege für die These, dass der Islam zu Deutschland gehöre. Bleiben Sie dabei?
Friedrich: Es geht mir um die Frage: Was ist die Identität Deutschlands? Ich sage: Es ist eine christliche und keine muslimische Identität. Das ändert nichts daran, dass die Muslime in Deutschland ein Teil unserer Gesellschaft sind. Ich lege aus zwei Gründen Wert darauf: Wir haben Religionsfreiheit und einen säkularen Staat.
Wächst der Trend zu Parallelgesellschaften?
Friedrich: Das kann man so pauschal nicht sagen. Wir können sie dort beobachten, wo es starke Ghettoisierungen gegeben hat. Also insbesondere in Großstädten, wo es einzelne Viertel gibt, in denen kaum noch Deutsch gesprochen wird.
Stichwort Facebook: Reichen die Selbstverpflichtungen der Betreiber in Sachen Datenschutz aus?
Friedrich: Facebook hat sich bereit erklärt, sich an einem Kodex für Soziale Netzwerke zu beteiligen. Ich lobe ausdrücklich die Bereitschaft der Sozialen Netzwerke, da mitzumachen. Zunächst muss aber an den konkreten Regelungen gearbeitet werden. Grundsätzlich sind Selbstverpflichtungen immer gut. Sollten die Konsensbemühungen scheitern, müssen wir gesetzgeberische Maßnahmen prüfen.