Islamisten an der Ausreise hindern
Die Zahl der Ausreisen nach Syrien und in den Irak wächst stetig. Reicht es aus, Verdächtigen den Ausweis abzuknöpfen?
Der Weg in den „Heiligen Krieg“ ist bislang äußerst bequem. Angehende Dschihadisten können von Deutschland aus einfach mit dem Personalausweis in die Türkei fliegen, von dort die Grenze nach Syrien überqueren und dann auch weiter in den Nordirak ziehen, um sich dort der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) anzuschließen.
Diese Route wird reichlich genutzt: Mehr als 450 Islamisten aus Deutschland haben sich bereits auf den Weg in die Region gemacht. Und der Ausreisestrom reißt nicht ab.
Bei denjenigen, die im Verdacht stehen, dass sie in Kampfgebiete aufbrechen wollen, können die Sicherheitsbehörden zwar schon heute den Reisepass einkassieren und eine Ausreise aus Deutschland untersagen. Da ein solches Verbot auf dem Personalausweis nicht vermerkt ist, können Islamisten auch in diesen Fällen einigermaßen unbehelligt das Land verlassen. Kürzlich schaffte es ein Islamist aus Hessen sogar, trotz einer elektronischen Fußfessel in Richtung Syrien auszureisen.
Die Innenminister von Bund und Ländern wollen so etwas künftig verhindern. Ihre Idee: Die Behörden sollen Verdächtigen nicht nur den Reisepass abnehmen, sondern auch den Personalausweis. An dessen Stelle sollen sie einen Ersatzausweis bekommen, auf dem ausdrücklich steht, dass sie nicht aus Deutschland rausdürfen.
Dazu ist eine Änderung des Personalausweisgesetzes nötig. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) will dazu nun „unverzüglich“ einen Entwurf vorlegen, wie er nach einem Sondertreffen mit seinen Amtskollegen aus den Ländern am Freitag ankündigte. Doch Oppositionspolitiker und Polizeigewerkschafter melden schon Zweifel an: Unnötig, kontraproduktiv, wenig wirksam sei das Instrument.
Auch die Innenressortchefs räumen ein, die Änderung sei keineswegs ein Allheilmittel. „Natürlich wird es nicht in allen Fällen gelingen, Ausreisen zu verhindern“, sagt de Maizière. Aber — so steht es in der gemeinsamen Erklärung der Minister — man müsse eben alles nur Mögliche tun, um abzuwenden, dass Terroranhänger das Land verlassen und anderswo Gewalt verbreiten.
Ausgerechnet als die Ressortchefs dieses Bekenntnis in Berlin verkündeten, wurde bekannt, dass Bayern wenige Stunden zuvor einen IS-Anhänger in die Türkei abgeschoben hatte. Erhan A. hatte kürzlich in einem Interview die Enthauptungen westlicher Journalisten durch den IS gerechtfertigt und erklärt, er würde sogar seine Familie umbringen, wenn sie sich gegen die Miliz stelle.
Die bayerische Polizei hatte den jungen Mann schon länger im Blick, konnte ihm aber keine Straftaten oder Anschlagspläne nachweisen. Deshalb entschied der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU), den Türken in seine Heimat zurückzuschicken — denn so jemand habe in Deutschland nichts verloren.
Aber wie passt das zur Zusage der Innenminister, alles daran zu setzen, IS-Anhänger zu stoppen, damit sie nicht anderswo Unheil anrichten? Es handele sich bei Erhan A. um einen besonderen Fall, sagte de Maizière kurz angebunden. So etwas werde es immer mal geben.
Dies ist nicht die einzige Frage, in der Uneinigkeit herrscht. Noch immer steht die Forderung aus den Reihen der Union im Raum, Doppelstaatlern die deutsche Staatsbürgerschaft ganz zu entziehen, wenn sie sich dem IS anschließen — rechtlich eine sehr komplizierte Angelegenheit. Die Innenminister haben dazu am Freitag keine gemeinsame Linie gefunden. Auch zu möglichen Strafrechtsänderungen gibt es noch Gesprächsbedarf. Unions-Politiker würden gerne unter anderem die Finanzierung von Terrororganisationen unter Strafe stellen. Das Bundesjustizministerium prüft derzeit mögliche Gesetzesänderungen.