Jamaika — wo liegen die Fallstricke?

Politiker betonen die Probleme der neuen Regierungsbildung — nicht die Chancen.

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Berlin. Wo liegen die Probleme für ein Jamaika-Bündnis im Bund? So viele kann es gar nicht geben, wenn man dem stellvertretenden CDU-Vorsitzenden Volker Bouffier folgt, der gestern FDP und Grünen in einem Dreierbündnis Nebenrollen zuwies: „Jamaika funktioniert nur, wenn die mit Abstand stärkste Kraft, die Union, das bestimmende Element ist, und wenn die anderen Partner wissen, dass sie nicht die Bestimmer sein können“, sagte der Ministerpräsident, der in Hessen mit den Grünen regiert, dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“

Der frühere CSU-Chef Edmund Stoiber nannte die avisierten Gespräche „schwierig wie nie“. Zwischen Grünen und CSU bestünden „fundamentale Unterschiede in der Inneren Sicherheit und der Flüchtlingspolitik“, sagte Stoiber dem „Tagesspiegel“. Da die SPD in die Opposition wolle, gebe es für die Union „aus staatspolitischen Gründen keine andere Möglichkeit als Gespräche mit FDP und Grünen über eine Regierungsbildung zu führen“.

Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck, der das Jamaika-Modell aus Kiel kennt und nun zum Sondierungsteam der Grünen gehört, sagte dem SWR, die Voraussetzungen für ein solches Bündnis seien „die denkbar schwierigsten“. In zentralen Politikbereichen sprach Habeck von „Sollbruchstellen“. Zudem ließen Ankündigungen von CSU und Teilen der CDU vermuten, dass die Union angesichts des Wahlerfolges der AfD „eher nach rechts“ tendiere.

FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki trat ebenfalls auf die Bremse. „Die programmatischen Unterschiede sind groß“, sagte er der „Nordwest-Zeitung“. „Alle werden Kompromisse machen müssen.“ FDP-Chef Christian Lindner hatte bekräftigt, dass seine Partei auf die vom Parteitag beschlossenen Trendwenden in zehn Handlungsfeldern pochen werde. Die Mehrheit der Deutschen könnte sich mit Schwarz-Gelb-Grün arrangieren. 57 Prozent der Befragten fänden laut ARD-„Deutschlandtrend“ eine solche Regierung gut oder sehr gut. Das seien 34 Prozentpunkte mehr als am Wahltag. Eine neue große Koalition aus CDU/CSU und SPD wollen nur 31 Prozent. Sollte es keine Jamaika-Koalition geben, befürworten 65 Prozent eine Neuwahl.

Der frühere Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU) rät der Union, ihr sozialpolitisches Profil zu schärfen. „Wenn wir den Abstand zwischen Reich und Arm nicht verkleinern, dann werden wir dem Flüchtlingsstrom und den Problemen in unserem Land nicht Herr werden“, sagte der Sozialexperte. Die soziale Frage sei global entscheidend. Dies sei eine Lehre der Bundestagswahl.

Die deutsche Industrie sieht ein Jamaika-Bündnis nicht als problematisch an. „Ich glaube sehr wohl, dass wir mit den Inhalten leben können“, sagte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Dieter Kempf, dem Bayerischen Rundfunk. Der Präsident des Bundesverbandes Groß- und Außenhandel (BGA), Anton Börner, betonte in der „Südwest Presse“ ebenfalls, eine Koalition aus Union, FDP und Grünen könne sehr stabil sein. Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer mahnte eine rasche Regierungsbildung an.