Kapitulation? Um keinen Preis!
US-Vorwahlen: Obwohl Obama kaum noch einzuholen ist, will Hillary Clinton nicht aufgeben. Sie kämpft.
Washington. Es ist ein gewohntes Bild: Zwei demokratische Vorwahlen mit zwei Siegern, von denen jeder glaubt, nun die Nase vorn zu haben. Nachdem aber Barack Obama im Bundesstaat North Carolina einen Durchmarsch feierte und Hillary Clinton in Indiana bis zum Ende zittern musste, sprechen die Zahlen eindeutig für den afro-amerikanischen Senator.
Obama konnte seinen Vorsprung an Delegiertenstimmen weiter ausbauen. Die alles entscheidende Frage ist nun: Wird die frühere First Lady bald das Handtuch werfen, oder setzt sich das zermürbende Duell bis zum Sommer fort?
Als um 19.30 Uhr Dienstagabend Ortszeit in North Carolina die letzten Wahllokale schlossen, zögerten die Fernsehanstalten keine Sekunde. Einstimmig erklärten sie Obama zum Sieger, noch bevor die ersten Stimmen ausgezählt waren.
Sogenannte "exit polls", Blitzumfragen, die vor den Wahllokalen durchgeführt werden, ließen keinen Zweifel am klaren Erfolg des Senators aus Illinois. Er hatte nicht nur 90Prozent der Schwarzen auf seiner Seite, sondern auch einen überraschend hohen Anteil der weißen Mittelklasse.
Dabei hatten Experten Clinton einen hauchdünnen Überraschungssieg zugetraut - nicht zuletzt wegen des Einsatzes von Ex-Präsident Bill Clinton, der in unzähligen Kleinstädten bei Auftritten auf Marktplätzen und in Privatgärten für seine Ehefrau warb.
Doch jenes Clintonsche Charisma, mit dem er früher die Massen in seinen Bann ziehen konnte, hat offenbar an Wirkung eingebüßt. Am Ende verbuchte Obama über 200.000 Direktstimmen mehr als die New Yorker Senatorin - ein satter Vorsprung von 14 Prozent. Für Hillary eine ebenso bittere Niederlage wie für Bill.
Anders stellten sich die Dinge in Indiana dar. Dort hatte es geheißen, dass Clinton wegen des hohen Anteils an jenen weißen Wählern der unteren Mittelklasse, die ihr auch im demographisch vergleichbaren Ohio einen deutlichen Erfolg beschert hatten, einen Erdrutschsieg feiern könnte.
Doch erst in den frühen Morgenstunden waren die TV-Anstalten bereit, Hillary als knappe Siegerin auszurufen. Im Bezirk Lake County, direkt an der Grenze zu Obamas Heimatstaat Illinois, hatte man noch auf die letzten Stimmen gewartet, durch die sich die Lücke weiter schloss.
Doch ebenso klar wie Obamas Sieg in North Carolina ist Clintons Entschlossenheit, um keinen Preis zu kapitulieren. "Vor einiger Zeit hat mein Gegner gesagt, dass ich Pennsylvania gewinnen würde, er North Carolina, und die Entscheidung dann in Indiana fallen würde", sagte die Kandidatin vor jubelnden Anhängern in Indianapolis.
"Ihr habt heute die Entscheidung gebracht. Nun geht es in vollem Tempo auf zum Weißen Haus." Tosender Beifall seitens der Menge, doch hinter dem Podium klatschten leise und verlegen lächelnd Ehemann Bill sowie Tochter Chelsea. "Chelseas Blick sprach Bände", sagte anschließend David Gergen, ehemaliger Kommunikationschef des Ex-Präsidenten. "Sie war traurig und verzweifelt, sie versteht das Spiel und weiß genau, dass es so gut wie zu Ende ist."
Deutlich bescheidener als seine geschlagene Gegnerin gab sich Obama bei seiner Siegesrede in Raleigh, North Carolina. Er schlug sogar versöhnliche Töne an. Während Hillary sich erneut geweigert hatte, ihren Parteirivalen beim Namen zu nennen, gratulierte Obama "Senator Clinton" zu ihrem Sieg in Indiana - lange, bevor dieser feststand. Dann wies er selbstbewusst darauf hin, dass als Folge des Erdrutschsieges in North Carolina ihm weniger als 200Delegiertenstimmen fehlen, um die absolute Mehrheit von 2025 zu erreichen.
"So oder so geht es nicht darum, ob ich gewinne oder Senatorin Clinton gewinnt", schwor er seine gespaltene Partei auf Zusammenhalt ein. "Es geht darum, dass wir im Herbst mit vereinten Kräften gegen den republikanischen Kandidaten John McCain zu Felde ziehen."
Wie der demokratische Stratege Paul Begala anschließend feststellte, "hat Obamas Kampagne nun die notwendige Dynamik, um bisher unentschlossene Superdelegierte zu überreden" und womöglich eine rasche Vorentscheidung herbeizuführen. "Endlich könnten wir dann aufatmen und uns auf den eigentlichen Feind konzentrieren, nämlich die Republikaner."