Klimagipfel im Schatten des Taifuns
Die UN-Konferenz hat mit bewegenden Reden begonnen. Die gesetzten Ziele sind aber doch eher bescheiden.
Warschau. Die Macht des Taifuns „Haiyan“ erreichte am Montag Warschau. Die Katastrophe auf den Philippinen mit mehr als 10 000 Toten war zum Auftakt des Weltklimagipfels in der polnischen Hauptstadt das Thema schlechthin.
In einem bewegenden Auftritt schilderte der philippinische Delegierte Yeb Sano das Grauen in seiner Heimat. „Mein eigener Bruder gehört zu den Opfern, er hat mit knapper Not überlebt“, berichtete Sano und forderte: „Wir müssen handeln. Wann, wenn nicht jetzt?“ Es folgte eine Schweigeminute im großen Konferenzsaal des Warschauer Nationalstadions.
Extremwetterlagen wie der Wirbelsturm in Südostasien gelten zusammen mit dem Anstieg des Meeresspiegels als die entscheidenden Herausforderungen, die vom Klimawandel ausgehen. Gipfel-Gastgeber Marcin Korolec erklärte in seiner Eröffnungsrede: „Wir verlieren den Kampf gegen die Natur.“ Zugleich mahnte der polnische Umweltminister: „Dies muss ein Moment des Erwachens sein.“
Dass sein eigenes Land als einer der schlimmsten Klimasünder in Europa gilt, erwähnte er nicht. Korolec forderte von der Warschauer Konferenz „entscheidende Schritte im Kampf gegen den Klimawandel. In Wirklichkeit hat sich der 19. UN-Gipfel dieser Art höchst bescheidene Ziele gesetzt. Vorrangig geht es darum, einen Fahrplan bis zur nächsten Klimakonferenz zu entwerfen.
Erst 2015 soll in Paris ein neues globales Abkommen ausgehandelt werden — sechs Jahre nach dem dramatischen Scheitern beim Gipfel in Kopenhagen. In Kraft treten würde ein neuer Vertrag frühestens 2020.
Für Mandy Woods, Sprecherin der Umweltorganisation WWF, kann das kaum mehr als ein Minimalziel sein. „Warschau muss zu einem Wendepunkt werden und dringend die Denkpause beenden, die sich die Staatengemeinschaft im Klimaschutz nach 2009 verordnet hat“, erklärte Woods im Gespräch mit unserer Zeitung.
Optimistischer bewertet die Bundesregierung das Warschauer Treffen und das weitere Verfahren. „Dieser schrittweise Ansatz hat viel Unterstützung gefunden, unter anderem von vielen Entwicklungsländern, aber auch von China und den USA“, teilte das Umweltministerium mit.
Genau dies sind — neben Bremsern wie Polen — die entscheidenden Blockierer beim Klimaschutz. China bangt um sein aufholendes Wachstum. Und in den USA herrscht eine grundsätzliche Skepsis gegen internationale Abkommen dieser Art.
Die Entwicklungsländer können nicht begreifen, dass sie, die selbst am stärksten von den Folgeschäden des Klimawandels betroffen sind, länger unter dem Wachstum in den reichen Ländern leiden sollen.
Um die Entwicklungsländer ins Boot zu holen, verlangen Umweltverbände eine Regelung für einen echten Schadensersatz bei Klimaschäden — in der Fachsprache kurz „loss and damage“ genannt: Verluste und Schäden. Das Thema steht weit oben auf der Agenda des Gipfels. Allerdings sind die Erwartungen in den Entwicklungsländern vermutlich ähnlich groß wie der Widerstand in den Industriestaaten.
In Zeiten der Wirtschafts- und Verschuldungskrise dürften die wenigsten Regierungen bereit sein, unkalkulierbar viel Geld für eine globale Risikoversicherung gegen Klimaschäden zuzusagen. Denkbar wäre, den UN-Klimafonds zumindest teilweise in einen Loss-and-Damage-Fonds umzuwidmen.