Jeder Fünfte kann sich keinen Urlaub leisten Reflex-Politik
Die Erkenntnis ist bedrückend, auf den ersten Blick. Wenn sich in einer schwerreichen Gesellschaft wie der deutschen mehr als 20 Prozent der Menschen nicht einmal eine Woche Urlaub im Jahr leisten können, dann lässt das aufhorchen.
Obendrein führt es zu den üblichen Reflexen. Da passt es in Bild, wenn Katrin Göring-Eckardt von den Grünen wieder von Umverteilung von Reich nach Arm fabuliert. Und dass Dietmar Bartsch von den Linken gleich „Urlaub für alle“ fordert, ist noch weniger überraschend. Dabei lohnt sich vor dem üblichen Polittheater ein genauerer Blick auf die Statistik. Demnach sind vor allem Alleinerziehende und Rentner nicht in der Lage, Geld für wenigstens eine Woche Nord- oder Ostsee zu erübrigen. Und das lässt tatsächlich tief blicken. Es zeigt, welche Hausaufgaben die Bundesregierungen in den vergangenen Jahrzehnten nicht gemacht haben.
Andererseits ist es durchaus auch bemerkenswert, dass 80 Prozent aller Bundesbürger wenigstens einen kurzen Urlaub bezahlen können. Der Eindruck bestätigt sich zu Ferienzeiten auf den Flughäfen der Republik und an den Stränden Europas. Das ist nicht selbstverständlich. Wer heute 60 Jahre und älter ist, erinnert sich sicher, wie exotisch es vor 30, 40 Jahren noch gewesen ist, womöglich mit der ganzen Familie nach Italien in die Ferien zu fahren, von weiteren Reisen ganz zu schweigen. Urlaub für alle ist ein schönes Ziel, das selbst die reiche Bundesrepublik Deutschland bisher nicht erreicht hat.
Aber viel wichtiger ist, dass die Ferienstatistik einmal mehr offenlegt, wo der Schuh in Deutschland drückt. Alleinerziehende und Rentner, die sich keine Reise leisten können, führen auch im Rest des Jahres kein unbeschwertes Leben. Die Gesellschaft und die Politik haben immer noch nicht vermocht, Kinderbetreuung und Altersvorsorge so zu organisieren, dass Alleinerziehen und Alter kein immenses Armutsrisiko bergen. Auf Statistiken jedoch allein mit dem Ruf nach mehr Umverteilung und mit Gleichmacherei zu reagieren, ist Folklore und wird der Größe des Problems nicht gerecht.