Datenschutz Keine Live-Bilder von der Urlaubsinsel Juist

JUIST/HANNOVER · Nach einer Beschwerde bei den Datenschützern wurden zwei Kameras abgeschaltet. Die übers Internet verbreitete Urlaubsstimmung kollidiert mit dem Persönlichkeitsrecht.

Die Kamera auf dem Dach eines Juister Ferienhauses, die den Kurplatz und die Straße zum Hafen im Blick hat.

Foto: Stadt Juist/Schröder, Ellen

„Fernweh und keinen Reiseprospekt zur Hand? Schauen Sie sich doch mal Live-Bilder oder -Videos vom Reiseziel im Internet an! Wie mag es wohl an meinem Traum-Urlaubsort aussehen? Sind die Strandkörbe voll?“

Barbara Thiel, die Landesdatenschutzbeauftragte von Niedersachsen, sieht durchaus den Reiz, der in Webcams liegt, die das Geschehen von vor Ort live ins Internet übertragen. Das Zitat stammt aus ihrem Datenschutzbericht. Doch Thiel, die auch für die Tourismusziele ostfriesische Inseln zuständig ist, sieht vor allem die Kehrseite, die „der Blick in den Strandkorb“ (auch das habe es schon gegeben) bringt: Persönlichkeitsrechtsverletzungen könnten bei einer  Live-Übertragung nicht mehr rückgängig gemacht werden. Der Einsatz von Webcams sei daher nur dann datenschutzrechtlich unbedenklich, wenn auf den aufgenommenen Bildern keine Personen oder personenbeziehbare Daten wie zum Beispiel Kfz-Kennzeichen erkennbar sind. So wie die Zahl der eingesetzten Webcams stetig zunehme, steige auch die Zahl der Menschen, die sich dadurch in ihrer Freizeit beobachtet und in ihrem Recht am eigenen Bild verletzt fühlen. Und sich dann bei der Datenschutzbeauftragen beschweren.

„Das Problem ist, dass die Kameras zu gut sind“

Eine solche Beschwerde führte nun dazu, dass auf der Nordseeinsel Juist zwei der bei Touristen beliebten Webcams abgestellt wurden. Tjark Goerges ist Bürgermeister der Inselgemeinde. Er sagt: „Wir wissen nicht, wer sich beschwert hat, aber die Landesdatenschutzbeauftragte hat uns mitgeteilt, dass es eine Beschwerde gibt. Daraufhin haben wir zwei Kameras erst einmal abgeschaltet.“

Webcam

Foto: Peter Kurz

Die eine hatte ihr Auge auf den hochfrequentierten Kurplatz gerichtet und schwenkte auch auf den Weg, den an- und abreisende Gäste auf dem Weg zur Fähre nehmen. Die andere befindet sich direkt am Hafen und hatte von dort das Geschehen ins Netz übertragen.

„Das Problem ist, dass die Kameras zu gut sind“, sagt Goerges. Will heißen: Personen sind erkenn- und identifizierbar. Der Bürgermeister beschreibt die möglichen Folgerungen: „Man kann im Zweifel erkennen, wer da auf der Insel ankommt und wen er im Schlepptau hat.“ Der Gedanke lässt sich trefflich weiterspinnen: Der zu Hause gebliebene Partner kann live mitverfolgen, mit wem sein Liebster oder seine Liebste ein paar schöne Tage auf der Insel verbringt….

Aber selbst wenn es nicht um solch delikate Fälle geht, so gilt doch immer das Persönlichkeits- und Datenschutzrecht jedes Einzelnen. Die niedersächsische Datenschutzbeauftragte fasst das so zusammen: „Das verfassungsmäßige Recht auf informationelle Selbstbestimmung verbürgt das Recht des Einzelnen, sich insbesondere in der Öffentlichkeit frei und ungezwungen bewegen zu dürfen. Und zwar ohne befürchten zu müssen, ungewollt zum Gegenstand einer Videoüberwachung gemacht zu werden. Die Überwachung öffentlichen Raumes ist daher in der Regel unzulässig. Die Überwachung von Bereichen, die der Erholung oder Freizeitgestaltung dienen, ist ebenfalls in der Regel unzulässig. Auch eine Rundumüberwachung des sozialen Lebens kann nicht zu Werbezwecken für eine Urlaubsregion gerechtfertigt werden. Regelmäßig überwiegen hier die schutzwürdigen Interessen der betroffenen Personen.“

Die Datenschutzbehörde sagt, dass das Prüfverfahren im Falle der Insel Juist noch nicht abgeschlossen ist. Andere Beschwerden etwa zu Kameras auf den Nachbarinseln Norderney und Borkum lägen nicht vor. Der Juister Bürgermeister Goerges bestätigt, dass man in Gesprächen mit der Datenschutzbeauftragten über einen regelkonformen Weiterbetrieb der Kameras sei. Eine bereits ins Spiel gebrachte Lösung will er jedoch nicht, weil sie die unbeschwerte Urlaubsatmosphäre stören würde: dass nämlich Schilder aufgestellt werden, die die Passanten auf den Betrieb der Webcams hinweisen.

Ein Warnschild würde
nicht weiter helfen

Ein solcher Weg wäre auch rechtlich nicht möglich, heißt es vonseiten der Datenschutzbeauftragen in Hannover: „Ein Hinweis per Schild auf den Einsatz der Webcam kann Verstöße gegen die Rechtmäßigkeit der Erhebung und Veröffentlichung personenbezogener Daten ohne Rechtsgrundlage nicht heilen. Ebenso stellt das Betreten eines überwachten und als solchen gekennzeichneten Bereichs keine diesbezügliche Einwilligung dar.“

Aber gibt es noch andere Möglichkeiten. Goerges: „Wir haben auch darüber nachgedacht, per Software die auf den übertragenen Bildern erkennbaren Personen verpixeln zu lassen. Aber dann wäre zum Beispiel der Kurplatz regelmäßig zu zwei Dritteln verpixelt.“ Der Bürgermeister sieht eine Lösung eher darin, dass die Auflösung der Bilder verringert wird. Ob und wie eine Vergröberung der Auflösung technisch möglich sei, werde derzeit geprüft.

Grundsätzlich sei man bei der Inselgemeinde daran interessiert, die Kameras wieder ans Laufen zu bringen. „Wir sind gern transparent, wollen uns zeigen. Den Menschen die Möglichkeit geben, sich die Urlaubsstimmung oder auch die Vorfreude ins Haus zu holen.“ Aber das wolle man regelkonform und in Abstimmung mit den Datenschützern machen.

Das ist auch aus einem anderen Grund ratsam: Menschen, die sich in ihren Rechten verletzt fühlen, haben nicht nur die Möglichkeit, sich an die jeweils zuständige Datenschutzbehörde zu wenden. Sie können den Betreiber der Webcam gegebenenfalls auch zivilrechtlich verklagen. Das bestätigt auf Nachfrage auch die niedersächsische Behörde: „Privatpersonen ist auch der Zivilrechtsweg eröffnet, um eigene Rechte aufgrund von Rechtsverstößen zu schützen.“