Krisenfest: Schwerer Tanz für Regierung beim Bundespresseball

Nach dem Rücktritt Franz Josef Jungs war die Partylaune in Berlin getrübt. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg sagte kurzfristig ab. Auch die Kanzlerin ließ sich lieber vertreten.

Berlin (dpa) - Selten drehten sich die Gespräche auf einemBundespresseball so um politische Themen. Und selten drückten sichRegierungsvertreter so einhellig um Aussagen zu den Themen des Tages.Daher war das Ball-Motto „Krisenfest“ am Freitagabend im Berliner HotelInterconti mit fast prophetischer Gabe gewählt. Zumindest für die neueRegierungskoalition, die erst 31 Tage im Amt ist und schon einenMinister verlor. Der neue Verteidigungsminister Karl-Theodor zuGuttenberg (CSU) sagte denn auch lieber gleich kurzfristig ab. Dazu kamder Fall des abgesägten ZDF-Chefredakteurs Nikolaus Brender, den dieOpposition gnadenlos nutzte.

Bestes Beispiel war Außenminister Guido Westerwelle (FDP). KeinMikrofon und keine Kamera ließ er bei früheren Bundespressebällen aus.Zehn Meter roter Teppich konnten mit ausführlichen persönlichen undpolitischen Stellungnahmen schon mal zwanzig Minuten dauern. AmFreitagabend schritt ein dauerlächelnder Westerwelle im Smokingzusammen mit seinem Freund Michael Mronz durch das Spalier derMikrofone und Scheinwerfer. Entlocken ließ er sich einen Satz: „Heuteabend gehts mal nicht um Politik.“

Ähnlich wortkarg gaben sich andere Regierungsvertreter, die eigentlichKanzlerin Angela Merkel (CDU) würdig vertreten wollten. Weder denRücktritt des früheren Verteidigungs- und späteren ArbeitsministersFranz Josef Jung (CDU), noch das Vertragsende von Brender beim ZDF, andem CDU-Politiker maßgeblich beteiligt waren, wollten sie öffentlichkommentieren.

Umweltminister Nobert Röttgen (CDU) meinte zu politischen Fragen:„Heute aber nicht.“ Dann schob er seine Frau weiter durch die Menge derChefredakteure, Journalisten, Wirtschaftsvertreter und Politiker.Gesundheitsminister Philip Rösler FDP), Arm in Arm mit seiner FrauWiebke, die im glänzenden rosa Abendkleid auftrat, seufzte: „Es war einanstregender Tag. Ich denke, wir sollten heute probieren, uns zuentspannen.“ Und Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CDU) versuchteein Lächeln: „Man musste erstmal durchatmen, bevor man herkommt.“

Fast fühlte man sich bei so viel konkret Unkonkretem an das Design desBalls erinnert, das angesichts der Krise als „überraschende Mischungaus Real und Irreal“ angekündigt wurde. Dafür wurden 4500 Lilienblüten,800 Kerzen und 150 handgemalte Bilder verbaut. Auch kulinarisch wollteman der Krise entgegentreten: Toast Hawaii vom Atlantik-Hummer,Seezungenröllchen und gesottenes Kalb im Ballsaal. Büffel ausBrandenburg, schwarzes Risotto mit Oktopus oder Wolfsbarschfilet imFlanierbereich. Dazu die traditionelle Austernbar.

Die Oppositionsparteien freuten sich über die Schweigsamkeit derRegierung und schimpften drauf los. „Die Vorgänge sind politischskandalös“, sagte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier über denFall Brender. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD)stieß ins gleiche Horn:: „Das ist ein einmaliger und unglaublicherVorgang“. Und Grünen-Chefin Claudia Roth, ganz in verschiedeneAbstufungen ihrer Parteifarbe gekleidet, gab sich gewohnt emotional:„Das ist eine obszöne Strategie.“

Unbeeindruckt von politischen Debatten zeigte sich nur BundespräsidentHorst Köhler. Wie jedes Jahr eröffnete er lächelnd erst den Ball undtanzte später dann mit seiner Frau Eva Luise Walzer. An seinemfestlichen Tisch stand er diesmal nicht im Mittelpunkt. Die Blicke derBallgäste richteten sich auf Schauspielerin Veronica Ferres, die imhellen Kleid und mit sehr tiefem Ausschnitt an Köhlers Tisch saß.

Ablenken wollten sich auch einige der Politiker zu später Stunde.Ausdrücklich freuten sich Köhler und Röttgen auf die 80er-JahreRockband BAP aus Köln. Und für den einen oder anderen Ex-Ministerdürfte auch BAPs größter Hit bekannt klingen: „Verdamp lang her“. DerRest der 2500 Gäste nahm sich die Eröffnungsrede von Organisator AlfredJ. Gertler zu Herzen, der dringend bat: „Feiern Sie auch in diesenTagen vor allem - krisenfest.“