Betreuung 24-Stunden-Kita ist noch Zukunftsmusik
Düsseldorf. Im Sommer 2015 blieb in der Düsseldorfer Großtagespflege „Hoteli“ das erste Kind über Nacht. Die 24-Stunden-Betreuung in der Einrichtung ging an den Start. Probeweise.
Ein kleines Mädchen schlief jetzt bei ihren Erzieherinnen im Stadtteil Unterbilk — während sein Vater, ein Witwer, im Schichtdienst Gebäude bewachte. Die Tagespflege war eine Pionierin im Bundesland.
Anderthalb Jahre später ist es damit jetzt aber vorbei — die Kinder werden wieder von 7.30 bis 16.30 Uhr betreut. Man habe sich das Rund-um-die-Uhr-Angebot nicht leisten können, sagt „Hoteli“-Gründerin Ewelin Szyszko. Und das, obwohl jeden Tag bis zu 20 Familien anriefen und nach einem 24-Stunden-Platz fragten. Die Nachfrage sei „enorm“.
Das Problem bei „Hoteli“: Ewelin Szyszko und ihre Partnerin hätten die Betreuung in der Nacht ehrenamtlich leisten müssen. Geld von der Stadt habe es über die Kernzeiten hinaus nicht gegeben. „Die Kommune hat sich dagegen entschieden. Dort hat es keinen Anklang gefunden“, erklärt die Pädagogin. Dabei sei das Angebot gerade von alleinerziehenden Müttern, die Nachtschichten in Krankenhäusern oder Altenheimen schieben, sehr dankbar angenommen worden. In Zukunft möchte Szyszko die Betreuungszeit aber gern wieder ausdehnen.
Bereit dazu ist auch Sabrina Huber in der privaten Kita „Mydagis“ in Köln. Bis 21 Uhr können die Eltern ihre Kinder dort betreuen lassen, bei Bedarf auch über Nacht. In Anspruch genommen wird letzteres bisher aber nicht — dort scheitert es offenbar an der Nachfrage. „Ich glaube schon, dass der Bedarf da ist“, sagt Huber. „Aber vielleicht ist die Möglichkeit noch nicht so publik.“
Dabei wird die 24-Stunden-Kita bereits seit Jahren diskutiert. Kritisch als Abwälzen originärer Familienaufgaben, aber auch als Zukunftsmodell, weil die Zahl der nachts arbeitenden Menschen beständig wächst. Ebenso wie die der Alleinerziehenden. Auf dem Gelände der Helios-Klinik in Schwerin entstand eine Rund-um-die-Uhr-Einrichtung schon vor fast zehn Jahren, die Nachfrage war so groß, dass der Kita-Träger einen zweiten Standort in der Stadt eröffnete — wieder mit 24-Stunden-Angebot. Allerdings: „In NRW gibt es aktuell noch keine 24-Stunden-Kita direkt an einer Klinik“, sagt Helios-Sprecher Tobias Pott — der Krankenhausverband hat in der Region Häuser etwa in Wuppertal und Duisburg. Laut Til Döring vom LVR-Landesjugendamt gibt es im Umkreis generell lediglich ein genehmigtes 24-Stunden-Angebot — eine Kita in Essen.
Damit zumindest das Geldproblem wie seinerzeit beim Düsseldorfer „Hoteli“ der flexiblen Öffnung nicht mehr im Weg steht, hat das Bundesfamilienministerium vor einem Jahr das Förderprogramm „Kitaplus: Weil gute Betreuung keine Frage der Uhrzeit ist“ gestartet. Unterstützt werden damit nicht nur 24-Stunden-Kitas. „Es geht grundsätzlich um eine bedarfsgerechte Ausweitung der Öffnungszeiten pro Wochentag in den frühen Morgenstunden oder spät abends, über Betreuungsmöglichkeiten am Wochenende und an Feiertaggen bis hin zu einem Betreuungsangebot, das auch Nachtzeiten umfassen kann“, erklärt eine Ministeriumssprecherin.
Zwischen 2016 und 2018 sollen mit dem Programm 300 Kitas in ganz Deutschland gefördert werden. Laut Ministerium war insbesondere die Resonanz aus NRW gut: Von 709 Einrichtungen, die Interesse an einer Teilnahme bekundeten, kamen 183 aus Nordrhein-Westfalen. 74 von ihnen hätten bereits einen Zuwendungsbescheid erhalten.
Eine von ihnen ist die Kita Mittendrin in Mönchengladbach, die seit November von 6.30 bis 18.30 Uhr öffnet. Das bedeutet allerdings nicht, so Kita-Leiterin Nicole Ott, dass die Kinder jetzt für zwölf Stunden abgegeben werden: Im Schnitt neun Stunden am Tag dürften sie in der Einrichtung sein, insgesamt nicht mehr als 45 Stunden pro Woche. So sei unter den Eltern die Chefin einer Gladbacher Bank, die an einem Tag wegen einer Teamsitzung länger arbeite und ihr Kind dafür an einem anderen Tag immer früher abhole. Aber auch die alleinerziehende Verkäuferin sei unter den Eltern bei „Mittendrin“. Und: „Viele unserer Eltern arbeiten in Neuss und Düsseldorf, müssen pendeln.“
Für genau diese Menschen ist das Programm gedacht. „Es dürfen nur die Eltern in Kitaplus, die es für ihre Berufstätigkeit brauchen“, erklärt Ott. Sie könnten flexibel für die Woche festlegen, wann sie ihr Kind auch in Randzeiten bringen wollen; maximal zehn Kinder aus einer der vier Gruppen dürfen besonders früh oder spät kommen. Der Betreuungsschlüssel (ein Erzieher für drei Kinder unter drei Jahren beziehungsweise für sechs über Dreijährige) sei immer gewährleistet.
„Es läuft relativ entspannt“, lautet das erste Fazit der Leiterin. Die Kinder seien alle bis 9.30 Uhr in der Kita und könnten so gemeinsam in die Tagesroutine starten So gebe es bei aller Flexibilität einen Rhythmus in der Einrichtung. „Und für die Eltern nimmt es viel Druck raus. Sie sind heute sehr belastet“, erklärt Ott. Auch im Team habe man für das Drei-Schichten-System Wege gefunden: Die Mütter machen Mitteldienst, ältere Mitarbeiter freuten sich oft über die Frühschicht und frühen Feierabend, die jüngeren dafür übers Ausschlafen bei der Spätschicht. Bis Ende 2018 läuft die Förderung, derweil muss Nicole Ott die Erfahrungen ständig mit einem Projektkoordinatoren bewerten. „Es ist schon eine Herausforderung“, sagt sie.
Ein 24-Stunden-Betrieb allerdings kam auch für die Kita Mittendrin nicht infrage. „Das gehört für mich in Betriebskitas, wo es bedarfsorientiert angeboten werden kann“, sagt Ott. Bei einer regulären Kita mit heterogener Elternschaft wäre die Umsetzung sehr viel schwieriger. Vorerst bleibt die 24-Stunden-Kita also wohl nordrhein-westfälische Zukunftsmusik.