61 000 Familien in NRW beziehen Betreuungsgeld

Umstrittene Leistung wird am 1. August ein Jahr alt. Experten halten sie für widersinnig.

Foto: Britta Pedersen

Düsseldorf/Berlin. Nein, Freunde des Betreuungsgeldes werden die Sozialdemokraten nicht mehr werden. „Wir haben das so vorgefunden, und auch durch den Koalitionsvertrag war es nicht wegzukriegen“, sagt die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfamilienministerium, Elke Ferner (SPD), betont distanziert. Am 1. August wird die auch als „Herdprämie“ verspottete Sozialleistung ein Jahr alt.

Eine Bewertung der Auswirkungen, im Polit-Jargon Evaluierung, ist derzeit nicht geplant. Laut Gesetz kann sich das Ministerium damit bis Ende 2015 Zeit lassen. Die öffentliche Aufregung über das Betreuungsgeld war lange Zeit groß. Wohl auch, weil es sich um ein Lieblingsprojekt der CSU in Bayern handelte. Seit dem 1. August 2013 können Eltern derzeit 100 Euro im Monat beanspruchen, wenn sie ihr Kind nicht in einer öffentlich geförderten Kita oder Tagespflege betreuen lassen. Gezahlt wird vom 15. Lebensmonat des Kindes an für maximal 22 Lebensmonate.

Seit Einführung sind in Nordrhein-Westfalen 70 578 Anträge eingegangen, von denen 60 885 bewilligt wurden, wie das Landesfamilienministerium gestern auf Anfrage unserer Zeitung sagte. Häufigster Grund für eine Ablehnung war, dass das Kind vor dem festgelegten Stichtag geboren wurde. Die Auswertung, wie viel Prozent der Familien ihren Anspruch auf das Betreuungsgeld geltend gemacht haben, läuft noch. Erst dann ist ein realistischer Vergleich zwischen den Bundesländern möglich.

Bundesweit wird das Betreuungsgeld für 146 000 Kinder gezahlt. Allerdings ist die Zahl der Anträge in den vergangenen Wochen hochgeschnellt, auf 280 000. Möglicher Grund: Ab dem 1. August werden 150 Euro im Monat bezahlt.

Kritikern, einschließlich der SPD, galt das noch unter der schwarz-gelben Koalition verabschiedete Gesetz als Zementierung eines konservativen Familienbilds. Obendrein wurden Befürchtungen laut, dass Kinder aus sozial schwachen Haushalten oder von Migranten von öffentlichen Bildungseinrichtungen ferngehalten werden.

Eine bislang unveröffentlichte Studie der TU Dortmund und des Deutschen Jugendinstituts scheint die Mutmaßungen der Kritiker zu bestätigen. Darin heißt es, dass das Betreuungsgeld besonders für jene Familien attraktiv sei, „die eine geringe Erwerbsbeteiligung aufweisen, durch eine gewisse Bildungsferne gekennzeichnet sind und einen Migrationshintergrund haben“. Daher sei es im Hinblick auf die Chancengerechtigkeit widersinnig.