Baustellen-Stau: Jeder zweite müsste nicht sein
Experte will mit relativ einfachen Maßnahmen für mehr freie Autobahnen sorgen.
Düsseldorf/ Remscheid. 2.200 Kilometer Autobahn gibt es in Nordrhein-Westfalen. Statistisch gesehen herrscht auf jedem einzelnen dieser Kilometer 90 Stunden Stau pro Jahr. Die Hälfte wird durch Baustellen verursacht — doch hier könnte der Verkehr viel flüssiger laufen. „50 Prozent dieser Staus wären vermeidbar“, sagt der Verkehrsexperte Professor Bernhard Steinauer von der Technischen Hochschule (RWTH) Aachen.
Ein halbes Jahr lang haben Steinauer und sein Team im Auftrag der Bundesanstalt für Straßenwesen und des Landesbetriebs Straßenbau NRW sechs Kilometer Baustelle auf der A 1 zwischen Remscheid und Burscheid videoüberwacht. 29 Kameras lieferten 90.000 Stunden Filmmaterial. Die Aachener Verkehrsexperten haben es ausgewertet und einen Maßnahmenkatalog als Empfehlung für das NRW-Verkehrsministerium erarbeitet.
Das Fazit: Die Staus ließen sich oft durch relativ einfache Maßnahmen verringern — eine übersichtliche Verkehrsführung, eine breitere linke Spur und kürzere Bauzeiten.
Unübersichtliche Baustellen — insbesondere die Einfahrten — sind laut Steinauer eine der Haupt-Staugefahren: Sobald Autofahrer konfus werden, reagieren sie irrational, treten plötzlich auf die Bremse. „Dabei passieren all’ diese kleineren Unfälle: Spiegel ab oder kleine Blechschäden“, erklärt Steinauer. Und schon staut sich der Verkehr, bis die Unfallstelle geräumt ist.
Gleiches gelte für die oft extrem schmale linke Fahrspur in Baustellen. 2,50 Meter seien so eng, dass die Fahrer neben einem Lkw regelrecht Platzangst bekommen. Das Ergebnis: Unfälle und Staus.
Die dritte Empfehlung des Experten: „Es müsste schneller gehen.“ Auf Baustellen müsse 24 Stunden gearbeitet werden, auch an Samstagen. Volkswirtschaftlich lohnten sich die Mehrkosten von zehn bis 20 Prozent, so Steinauer.
Den volkswirtschaftlichen Schaden durch Staus beziffert die Ruhr-Uni Bochum auf 250 Millionen Euro pro Jahr — allein in NRW.
Kurze Bauarbeiten sollten alle nachts abgewickelt werden. Und der Verkehrsexperte empfiehlt Investitionen in besseres Baumaterial: „Autobahnen müssen wie Brücken für eine Lebensdauer von 100 Jahren ausgerichtet sein.“
Das NRW-Verkehrsministerium will nun beraten, wie die Vorschläge im Stau-Land Nummer eins umgesetzt werden können. Als ersten Schritt empfiehlt Steinauer die Videobeobachtung aller Großbaustellen: So könnten Rettungseinsätze besser koordiniert, Unfallstellen schneller geräumt und schon damit Stauzeiten verringert werden.