Problembezirke CDU: Es gibt in NRW No-Go-Areas

Ein 15-Jähriger hat mit einer Waffe auf einen anderen Jugendlichen gezielt und so einen Polizeieinsatz ausgelöst. Dabei kam es zu Tumulten, weil Dutzende Personen die Polizisten bedrängten.

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Düsseldorf. Reichlich Brisanz steckt in der Kleinen Anfrage 5119 der CDU-Landtagsabgeordneten Claudia Middendorf und Gregor Golland. „Jetzt auch No-go-Areas in Dortmund?“— so lautet ihre Frage an das NRW-Innenministerium. Grund: In der vergangenen Woche hatte ein 15-Jähriger einen weiteren Jugendlichen mit einer Schusswaffe bedroht, zeitweise auf dessen Kopf gezielt. Bei der Festnahme des Verdächtigen wurden die Beamten laut Polizeibericht von Dutzenden Personen umzingelt. Sie sollen geschrien haben, wollten zu dem Festgenommenen vordringen.

Eine Sprecherin der Dortmunder Polizei sagte im Gespräch mit unserer Zeitung, dass die Polizisten den 15-Jährigen mit vorgehaltener Dienstwaffe zu Boden gezwungen hatten, weil sie von einer echten Schusswaffe ausgehen mussten. Am Ende habe sich herausgestellt, dass es sich um einen „Scherz unter Jugendlichen“ gehandelt habe, der laut Sprecherin aber alles andere als lustig war. Der Jugendliche sei vom Zugriff der Polizisten überrascht gewesen, habe nicht gewusst, was er mit seiner Aktion angerichtet hat. Bei seiner Waffe habe es sich um eine Anscheinswaffe gehandelt, die einer echten Schusswaffe täuschend ähnelt.

Den Tumult im Anschluss an die Festnahme räumte die Sprecherin zwar ein. Es habe aber keine Befreiungsversuche gegeben. Verletzt wurde nach Angaben der Sprecherin niemand. Dennoch habe sich die Lage erst beruhigt, als Verstärkungskräfte eingetroffen seien. „Wir haben keine No-go-Area im Dortmunder Norden“, versicherte die Sprecherin. Aber: „Die Polizei Dortmund musste in der jüngsten Vergangenheit gehäuft das Phänomen registrieren, dass sich Personengruppen bei Einsätzen zusammenrotten und versuchten, Einfluss auf polizeiliche Maßnahmen zu nehmen.“ Das liege laut Sprecherin vor allem an dem schwindenden Respekt vor Polizeibeamten, so die Sprecherin weiter.

Diese Szene hat sich diesmal im Dortmunder Norden abgespielt, es hätten aber auch die Duisburger Stadtteile Marxloh oder Laar sein können, die Gelsenkirchener Stadtteile Bismark, Ückendorf, Rotthausen oder ein anderer Bezirk im Ruhrgebiet. Der Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Arnold Plickert, hatte in der Vergangenheit schon mehrfach davor gewarnt, dass „ganze Viertel im Revier abzurutschen drohen“. Die Politik dürfe dieser Entwicklung nicht tatenlos zusehen, so Plickert weiter.

Theo Kruse, innenpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, sagte am Montag: „In Nordrhein-Westfalen gibt es No-go-Areas.“ Er verwies dabei auf die Polizei-Gewerkschaften. „Beispielsweise hat es die Polizei in Stadtteilen von Duisburg und Gelsenkirchen schwer, die Lage unter Kontrolle zu bekommen. Dort gibt es rechtsfreie Räume“, so Kruse.

Auch in der Silvesternacht habe am Kölner Hauptbahnhof eine rechtsfreie Zone geherrscht. Dies sei nicht akzeptabel. Statt das Problem schön zu reden, müsse die Landesregierung endlich sagen, wie sie die offenkundigen Brennpunkte entschärfen und die innere Sicherheit in ganz Nordrhein-Westfalen flächendeckend gewährleisten wolle, forderte Kruse. „Dazu sind aus unserer Sicht ein verstärkter Einsatz von Videotechnik, Body-Cams für Polizisten und eine höhere Polizeipräsenz auf der Straße notwendig.“

Die Antwort von NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) ließ nicht lange auf sich warten. „Es gibt keine No-go-Areas in Nordrhein-Westfalen“, betonte der Minister: „In NRW gibt es keine rechtsfreien Räume. Die Streifenwagen der Polizei fahren in jede Straße in jedem Stadtteil. Wenn einzelne Gruppen versuchen, ganze Straßenzüge für sich zu reklamieren, dulden wir das nicht. Dagegen gehen wir, wenn nötig auch mit Einsatzhundertschaften vor.“ Aus anderen Städten wisse man, dass durch erhöhte Polizeipräsenz Provokationen gegen Polizeibeamte deutlich abgenommen haben. „Diese Präsenz halten wir so lange wie nötig aufrecht“, betonte Jäger.

Das NRW-Innenministerium setzt also auf personelle Verstärkung, wenn sich ein krimineller Brennpunkt abzeichnet. Davon gibt es im Ruhrgebiet in der Tat genug. In Duisburg sind laut Medienberichten zwei libanesische Clans der Meinung, ganze Straßenzüge unter sich aufteilen zu können. Ihre wichtigesten „Geschäftsfelder“: Drogenhandel, Schutzgelderpressung, Raub und Einbruch. Zudem gibt es laut Polizei auch Kontakte zu den Rockern der „Hells Angels“.

Wie vernetzt diese Clans sind, zeigte sich zum Beispiel vor ein paar Wochen in Erkrath, als sich zwei libanesische Clans auf dem Hochdahler Markt eine wüste Schlägerei geliefert hatten. Mit von der Partie: Einige Rocker der „Hells Angels“. Die Polizei hatte damals eine Hundertschaft eingesetzt, um der Lage Herr zu werden.