Demografischer Wandel spaltet das Land NRW
Noch in den 90er Jahren wuchs der Westen, nun ist in vielen Regionen die Trendwende erreicht.
Wiesbaden. Die Langzeit-Statistik verbrämt die aktuelle Dramatik. Im Vergleich zu 1991 verzeichnen die meisten alten Bundesländer ein Bevölkerungsplus, Nordrhein-Westfalen liegt mit einem Zuwachs von 2,3 Prozent knapp über dem Schnitt aller Bundesländer. Nun ist der Trend allerdings gebrochen.
Kurz nach der Wende strömten zunächst noch hunderttausende Menschen aus der Ex-DDR, dem Balkan und Osteuropa auf der Suche nach Arbeit in Richtung Westen, doch seit Mitte der 90er Jahre zeichnen sich die Folgen des demografischen Wandels in den alten Bundesländern immer deutlicher ab.
Nun hat der Bevölkerungsverlust die Einwohnerzahl erstmals seit Mitte der 1990er Jahre wieder unter die 82-Millionen-Marke gedrückt. Nach Auskunft der Bundesstatistiker in Wiesbaden ist der jüngste Schwund in diesem Jahr sogar besonders groß ausgefallen. Demnach schrumpfte die deutsche Bevölkerung um mehr als eine Viertelmillion - das entspricht der Einwohnerzahl Aachens. Die Ursachen für die Negativentwicklung: viel zu wenige Geburten und eine rückläufige Zuwanderungquote.
Erstmals seit der Wende hat von 2008 auf 2009 sogar das wirtschaftlich dynamische Bayern Bewohner verloren (-0,2 Prozent). Bundesweit wachsen jetzt nur noch die Stadtstaaten Hamburg und Berlin, während der Aderlass in Nordrhein-Westfalen besonders groß ist. Das bevölkerungsreichste Bundesland schrumpfte in den vergangenen zwölf Monaten um 73161 Menschen auf 17904653 Einwohner (-0,4 Prozent). In absoluten Zahlen trägt NRW damit die Rote Laterne, gefolgt von Sachsen-Anhalt, das 31000 Einwohner verlor (-1,3Prozent).
Doch Prognosen des Berlin-Instituts für Bevölkerungsentwicklung bis zum Jahr 2025 zeichnen ein facettenreiches Bild mit drei Zonen: Vor allem das Ruhrgebiet, aber auch Wuppertal und Krefeld leiden unter ihren Alt-Industrien. Diese Räume werden in den kommenden 15Jahren extrem schrumpfen. Dagegen bleibt die Bevölkerungzahl in den wirtschaftlich starken Städten Münster, Düsseldorf, Köln und Bonn stabil oder sinkt nur leicht.
Gewinner des demografischen Wandels sind eine Reihe ländlicher Gebiete, etwa der Rhein-Sieg-Kreis, der Kreis Heinsberg, der Kreis Kleve und der Kreis Unna. In diesen Speckgürtel-Regionen des Rhein-Ruhr-Ballungsraums siedeln sich besonders viele Familien an.