Der Chef nennt sich „Don Marcello“
Datenklau-Skandal: Die Geschäftsführer der Viersener Firma MV Consulting sind bei der Justiz keine Unbekannten.
Viersen. Die Große Bruchstraße in Viersen: In einem Backsteinhaus residiert die MV Consulting. Die Firma steht im Mittelpunkt des Skandals um eine CD mit Kontoverbindungen und Adressen von 17000 Verbrauchern.
Ein Blick durch die Gitterstäbe der Eingangstür zeigt ein modernes Büro mit Leder-Drehsesseln. Stellwände trennen die Arbeitsplätze voneinander. Doch niemand arbeitet heute dort. Die Monitore sind ausgeschaltet, die Computer sind weg. Die hat die Staatsanwaltschaft bei einer Razzia am späten Dienstagnachmittag beschlagnahmt.
"24 Stück waren es", hat eine Nachbarin gezählt. An einer Stellwand hängt ein Merkzettel für die Call-Center-Mitarbeiter: "Möchten Sie sich nicht erst die Unterlagen ansehen und dann entscheiden ob sie mitspielen. Bitte bei jedem Kunden sagen, der dabei ist zu stornieren oder sich nicht sicher ist. Don Marcello."
Inzwischen ist "Don Marcello", der mit bürgerlichem Namen Marcel Vincenzo R. heißt und mit Marco V. Geschäftsführer der MV Consulting ist, abgetaucht. Marco V. ist ebenfalls verschwunden. Nachbarn wähnen ihn in Italien. "Bei der Durchsuchung war nur sein Kollege da, den V. haben wir schon ein paar Tage nicht mehr gesehen."
Bei der Justiz sind beide keine Unbekannten: Anfang Juli erließ das Landgericht Mönchengladbach gegen sie eine Einstweilige Verfügung. Unter Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 Euro, ersatzweise sechs Monate Ordnungshaft, wurde R.und V. verboten, Kunden ohne deren vorherige Einwilligung anzurufen, um sie für Gewinn- oder Glücksspiele zu werben.
Beide betreiben auch ein Gewinnspiel-Unternehmen namens "Europachance", über das in einschlägigen Internet-Foren sehr negativ diskutiert wird.
Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen das Duo wegen versuchten Betrugs und Verstößen gegen das Datenschutzgesetz. Sie waren vom schleswig-holsteinischen Datenschutzbeauftragten angezeigt worden, weil ihre Firma eine CD mit Namen, Adressen und Kontodaten von 17000 Verbrauchern an ein anderes Call-Center verkauft haben soll.
Wegen der brisanten Daten-Kombination ist es möglich, Geld von den Konten der Betroffenen abzubuchen. Dies ist bereits in zahlreichen Fällen erfolgt. Allein bei NRW-Datenschützerin Bettina Sokol wurden in den vergangen Tagen mehr als 100 solcher Beschwerden registriert.
Auch mehrere Leserinnen und Leser unserer Zeitung hatten - alarmiert durch unsere Berichterstattung - bei einer Kontrolle ihrer Auszüge illegale Abbuchungen bemerkt, darunter der Wuppertaler Pensionär Wilfried Fütterer. Ihm waren von einer Firma "DMS/G-Schutzaktiv" für einen "Rundumschutz" zwei Mal 58,80 Euro abgebucht worden.
"Ich bin absolut sicher, dass ich mit diesem Unternehmen noch nie etwas zu tun hatte, geschweige mit denen irgendeinen Vertrag geschlossen habe", empört sich der frühere Richter am Oberlandesgericht Düsseldorf. Die Abbuchungen konnte er am Montag bei der Stadtsparkasse Wuppertal rückgängig machen.
Die Staatsanwaltschaft Mönchengladbach rechnet in Sachen MV Consulting mit Ermittlungsarbeit, die Wochen, wenn nicht Monate dauern wird. Einer der Schwerpunkte: Aus welcher Quelle stammen die Daten - und an wen wurden die Daten von MV Consulting weiterverkauft?
Verstöße gegen das Datenschutzgesetz werden mit Geldstrafe oder höchstens zwei Jahren Haft bestraft. Bis zu dieser Höhe kann ein Gericht Haftstrafen auch zur Bewährung aussetzen.