Bundestagswahl 2009 in Mettmann: Ein Hauch von Stalinismus
Sahra Wagenknecht. Die Kandidatur der radikalen Linkspartei-Politikerin in Mettmann wird noch für Wirbel sorgen. Mit Demokratie und Marktwirtschaft hat sie wenig am Hut.
Mettmann. Auf eine politische "Samba in Mettmann" mit der Linksaußen der Linken hat Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) offenbar wenig Lust. "Kein Kommentar!", hieß es gestern nur kurz und schmerzlos aus dessen Büro zur geplanten Kandidatur von Sahra Wagenknecht.
Die bekennende Kommunistin und DDR-Nostalgikerin will bei der Bundestagswahl 2009 ausgerechnet in jenem Wahlkreis antreten, den Steinbrück als Direktkandidat für die SPD holen soll. Sie verspricht sich davon ein Maximum an Aufmerksamkeit.
Wagenknecht sitzt bislang im Europaparlament und will unbedingt ihren Einfluss in der Bundespolitik ausbauen. Ihr jüngster Vorstoß, Vize-Parteivorsitzende der Linkspartei zu werden, scheiterte am Widerstand von Parteichef Lothar Bisky und Fraktionschef Gregor Gysi. Nur Co-Parteichef Oskar Lafontaine hatte interessanterweise zu dem Plan geschwiegen. Die 39-Jährige zog ihre Kandidatur zurück und ist nun wild entschlossen, in den Bundestag zu kommen.
Das Vorhaben irritiert auf den ersten Blick. Denn viel hält Wagenknecht von dem deutschen Parlament nicht, schließlich gebe es "wirkliche Demokratie im Kapitalismus so wenig wie in der DDR", wie sie in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" sagte. Die Bürger könnten den Bundestag zwar wählen, so Wagenknecht weiter, "aber die Entscheidungen, die in den Zentralen der Dax-Konzerne fallen, sind von ungleich größerer Relevanz". Ihr Fazit: Die DDR sei "ein besserer Staat als die BRD" gewesen.
Wagenknecht absolvierte ihre Schulzeit in Ost-Berlin. 1989 trat sie - ein halbes Jahr vor dem Mauerfall - in die SED ein. Gefreut hat sie sich über die friedliche Revolution in der DDR offensichtlich nicht: "Mit der Mauer wurde auch die DDR weggefegt. Der Osten bekam den Anschluss und den Kapitalismus. (...) Diese Perspektive wollte ich nicht." Ob der Mauerbau richtig gewesen sei? "Fakt ist", antwortet sie, "dass darüber nicht primär in Berlin, sondern vor allem in Moskau und in Washington entschieden wurde." In Washington? In Wagenknechts Welt müssten die Geschichtsbücher neu geschrieben werden.
Das gilt auch für den Stalinismus, den sie streng verteidigt. In einem Aufsatz schreibt sie: "Nicht zu leugnen ist, dass Stalins Politik (...) als prinzipientreue Fortführung der Leninschen gelten kann. (...) Und was immer man (...) gegen die Stalin-Zeit vorbringen mag, ihre Ergebnisse waren jedenfalls nicht Niedergang und Verwesung, sondern die Entwicklung eines um Jahrhunderte zurückgebliebenen Landes in eine moderne Großmacht." (Weißenseer Blätter, 4/1992).
Wagenknecht ist Wortführerin der "Kommunistischen Plattform" (KPF) innerhalb der Linkspartei. Laut Verfassungsschutzbericht 2005 handelt es sich dabei um eine "offen extremistische Gruppierung", die "weiterhin in wichtigen Gremien der Partei vertreten" ist.
Der Landesverband der Linken in NRW spielt bei der Personalie Wagenknecht derweil ein doppeltes Spiel. Offiziell geht man auf Distanz. "Frau Wagenknecht ist bisher nur ein Vorschlag eines einzelnen Ratsmitglieds. Es gibt weder einen Parteibeschluss vor Ort noch ein Votum des Landesvorstands für sie", sagte Parteisprecher Ralf Michalowsky unserer Zeitung. Eine Kandidatur von Wagenknecht in Mettmann würde auch nicht bedeuten, dass die Kommunistin einen Spitzenplatz auf der Landesliste der Linkspartei in NRW erhalte. Man wolle sich nicht fremdbestimmen lassen.
Insgeheim dürfte der Promi-Faktor den Genossen in NRW sehr willkommen sein. Eine Kandidatur gegen Steinbrück würde bundesweite Medienpräsenz garantieren, die die biederen Chefs des Linken-Landesverbandes Wolfgang Zimmermann oder Ulrike Detjen nicht zu bieten haben. Die beiden Altlinken sehen ihre Zukunft im Landtag.
Mit Promi-Importen hat die Linke in NRW übrigens ihre Erfahrung: Beim letzten Mal war ein gewisser Oskar Lafontaine Spitzenkandidat in NRW.