Der Müll und die Millionen
Nirgendwo in Europa wird so viel importiertes Gift entsorgt wie in Nordrhein-Westfalen.
Düsseldorf. Quecksilber aus Brunei, PCB-Öle aus Mexiko, Chemikalien aus der Ukraine - im globalen Entsorgungsdorf gilt Nordrhein-Westfalen als erste Adresse. Drastischer drückt dies Dirk Jansen vom Bund für Umwelt und Naturschutz (Bund) aus: "Der australische Fall ist doch nur die Spitze eines Eisberges - NRW ist das Müllklo der Welt." Grüne und Umweltverbände kritisieren, dass beim Geschäft mit dem Gift jede Transparenz fehlt. Nur zufällig habe die Bevölkerung im Januar vom bevorstehenden Deal mit Australien erfahren.
Den Unternehmen geht mit dem Machtwort aus dem nordrhein-westfälischen Umweltministerium jedenfalls ein lukrativer Auftrag verloren. Die Gesamtkosten für die Entsorgung des australischen Mülls schätzt die Regierung in Canberra auf 50 Millionen Euro - mit 15 Millionen hätte allerdings allein der Gefahrguttransport der 60 000 Fässer durch die Weltmeere zu Buche geschlagen.
Die Tochtergesellschaft von Bayer und Lanxess, die das Gift in Leverkusen und Dormagen verbrannt hätte, zeigt sich dennoch gelassen. "Wir nehmen die Entscheidung so zur Kenntnis", sagt Joachim Beyer, Leiter der Verbrennungsanlagen bei Bayer Industry Services in Dormagen. "Die Entsorgung von Stoffen aus Übersee hat für uns keine relevante Bedeutung."
Dass Müllimporte generell aber ein gutes Geschäft sind, steht für die Entsorgungswirtschaft außer Frage. Jedes Jahr werden Millionen Tonnen Abfall über den Planeten bewegt. Deutschland etwa importiert nicht nur Müll, sondern exportiert auch immer größere Mengen. Die Zuwachsraten sind atemberaubend: 1999 schickte Deutschland lediglich 192 000 Tonnen Müll ins Ausland, im vergangenen Jahr waren es schon 644 000 Tonnen.
Obwohl nach internationalem Recht Abfall möglichst dort entsorgt werden soll, wo er entsteht, bleibt der Politik wenig Handlungsspielraum für diese Form der Globalisierung. So lange ein Land beweist, dass es aus technischen Gründen seinen Giftmüll nicht entsorgen kann, darf es die Stoffe exportieren.