Kinderbildungsgesetz: Gutes Gesetz für die Kinder?
Betreuung: Die Regierung lobt sich für eine Steigerung der Mittel. Kritiker sehen Qualitätsverlust.
Düsseldorf. Unter heftigen Wortgefechten mit der Opposition hat die NRW-Landesregierung ihren Entwurf für ein Kinderbildungsgesetz (Kibiz) eingebracht. Die Novelle sieht einen Ausbau der Betreuungsangebote für unter Dreijährige, verstärkte frühkindliche Sprachförderung und Bildung sowie den Ausbau von Familienzentren vor. Das Gesetz soll im Herbst verabschiedet und im August 2008 wirksam werden.
Die Zahl der Plätze für unter Dreijährige soll im kommenden Jahr auf 34 000 verdreifacht werden. Zusammen mit Tagesmütterplätzen würden insgesamt sogar 52 000 Plätze gefördert, sagte Familienminister Armin Laschet (CDU). Dies sei im Vergleich zum Jahr des Regierungswechsels 2005 eine Steigerung von über 370 Prozent. In einem Brief an alle 9700 Kindertageseinrichtungen des Landes versicherte Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU): "Mit Kibiz wird es nicht zu einem Personalabbau kommen. Kibiz wird neue Arbeitsplätze schaffen." Bis 2010 würden Betreuungsplätze für 20 Prozent aller Kinder unter drei Jahren zur Verfügung gestellt. Bei der Regierungsübernahme habe es nur für 2,8 Prozent der Kinder dieser Altersgruppe einen Platz gegeben.
Von einer Verschlechterung gehen SPD und Grüne aus. Die Mittel reichten bei weitem nicht aus, um Sprachförderung, frühkindliche Bildung und Beratungsarbeit mit Fachkräften zu finanzieren. Während Minister Laschet zusammen mit allen Mitteln für kleine Kinder inklusive Sprachförderung, Tagespflege, Familienzentren und Pauschalen für soziale Brennpunkte eine Verbesserung von 150 Millionen Euro vorrechnet, spricht die SPD hier von "Taschenspielertricks". Bereits im Jahr 2006 seien den Kitas 156 Millionen Euro an Sachkosten und beim so genannten Elternbeitragsdefizit-Ausgleich entzogen worden.
Astrid Nowak, Leiterin der evangelischen Kindertagesstätte an der Apostelkirche in Düsseldorf-Gerresheim: "Ich lehne den Gesetzesentwurf in der jetzigen Form ab. Denn wenn er so verabschiedet wird, leidet die Qualität unserer Arbeit." Der Entwurf bedeute im Endeffekt größere Gruppen bei gleichzeitigem Personalabbau. Sorgen bereiten Astrid Nowak auch die geplanten Stundenkontingente für die Kinderbetreuung. "Wie sollen wir denn Bildung vermitteln, wenn jeder kommt und geht, wie er will?" Als Problem sieht sie darüber hinaus den zusätzlichen Verwaltungsaufwand, wenn die jeweiligen Stundenkontingente berechnet werden müssen. "Man bräuchte wohl Stechuhren", überlegt sie. Ausdrücklich begrüßt Nowak, dass die Sprachen stärker gefördert werden sollen. Sie befürchtet aber: "Da bleibt andere Förderung wie etwa Medienerziehung oder Kulturvermittlung auf der Strecke." Dass in Zukunft 19 Prozent der Betriebskosten von den Eltern bezahlt werden sollen statt der bisherigen 13 Prozent, hält die Erzieherin schlicht für unrealistisch. "Das würde doch zwangsläufig mit einer Beitragserhöhung einhergehen", sagt sie voraus.
Birgit Heleenders, Leiterin des integrativen Waldorfkindergartens in Wuppertal: "Ich bin richtig wütend", sagt Birgit Heleenders. Sie hält die Ausführungen von Familienminister Armin Laschet (CDU) für nicht glaubhaft und prophezeit, dass vor allem eingruppige Einrichtungen mit gemischten Altersklassen demnächst geschlossen werden. "Ich kenne Kolleginnen, die haben schon die Kündigung in der Tasche", sagt sie. Sehr bedenklich sei zudem, dass es kleine klar definierten Mindeststandards mehr gebe. Insgesamt fühlt sich Birgit Heleenders schlecht informiert, zumal die Ausführungsbestimmungen auch noch nicht geklärt seien. Wie unklar und unsicher die Lage für die Kindergärten sei, zeige sich auch daran, dass alle neuen Arbeitsverträge, die ihr bekannt seien, nur befristet würden. "Es ist doch bekannt, dass jeder Euro, den man in die Früherziehung steckt, später einmal vier Euro Rendite für das Bruttosozialprodukt bringt", sagt Birgit Heleenders und prophezeit vielen Einrichtungen in NRW Probleme mit der Finanzierung.
Manuela Kimezoglus, stellvertretende Leiterin der Kindertagesstätte "Rund um St. Josef" in Krefeld: Ihr Blut kommt in Wallung, wenn Manuela Kimezoglus über das neue Kinderbildungsgesetz spricht. "Statt die laut Pisa-Studie vielbeschworene Frühförderung durchzuführen, ist jetzt eher mit einer Verschlechterung des bisherigen pädagogischen Angebots zu rechnen", befürchtet sie. Die Gesetzesänderung sei nicht durchdacht und absurd. Die Sonderbedürfnisse für die Betreuung von Kindern unter drei Jahren sei bei der künftigen Kostenpauschale pro Kind ebenso wenig berücksichtigt wie der höhere Personalschlüssel. Im Gegenteil. Durch den Wegfall dieser Zuschüsse und die Umstellung der bisher extra bezahlten Personalkosten auf eine Pauschale müssten Kindergärten durch Heraufsetzung der Gruppenstärke und den Einsatz von Billigkräften die zusätzlichen Kosten erst einmal erwirtschaften. "Dieses neue Gesetz geht zu Lasten der Kinder" - davon ist die Erzieherin überzeugt.