Die Frist versäumt: Bundesgerichtshof lässt Vergewaltiger frei
Die Karlsruher Richter bekräftigen in ihrem Urteil die strengen Voraussetzungen für die dauerhafte Unterbringung gefährlicher Straftäter.
Kalsruhe. Der Bundesgerichtshof hat einem zu fünf Jahren Haft verurteilten Vergewaltiger Recht gegeben, der gegen eine über seine normale Strafe hinausgehende Sicherungsverwahrung geklagt hatte. Der Mann, dessen Strafe am kommenden Montag abläuft, muss damit entlassen werden - obwohl das Landgericht Duisburg von einer Rückfallgefahr ausgeht und den Mann weiterhin in Sicherungsverwahrung nehmen wollte. Hintergrund ist eine Fristversäumnis des Duisburger Gerichts. Das hatte den Mann 2003 wegen Vergewaltigung und versuchter Vergewaltigung zu einer Gesamtstrafe von fünf Jahren verurteilt - und sich wegen dessen potenzieller besonderer Gefährlichkeit eine spätere Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten. Diese "vorbehaltene Sicherungsverwahrung" (§ 66a Strafgesetzbuch) war 2002 ins Strafgesetzbuch aufgenommen worden, um die Reaktionsmöglichkeiten der Justiz bei hochgefährlichen Straftätern zu erweitern. Jedoch schreibt das Gesetz auch vor, dass eine endgültige Entscheidung spätestens sechs Monate vor dem frühesten Entlassungszeitpunkt erfolgen muss, der nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe erreicht ist. Im vorliegenden Fall hatte das Landgericht Duisburg diese Frist jedoch um fast anderthalb Jahre verpasst. Der BGH stellte klar, dass die Einhaltung der Sechs-Monats-Frist zwingend ist. Wörtlich heißt es im Urteil: "Wenn (...) die Anordnung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung wegen Fristüberschreitung unterbleiben muss, so ist dies - wiewohl im Einzelfall unbefriedigend - grundsätzlich hinzunehmen." (AZ: 3 StR 269/06) KOMMENTAR: Recht muss Recht bleiben "Wegsperren - für immer!" So populistisch-simpel hatte Ex-Bundeskanzler Schröder 2001 sein persönliches Strafmaß für Kinderschänder und Sexualverbrecher verkündet. Doch so einfach ist die Sache nicht. Zwar bietet das Strafrecht durchaus Möglichkeiten für ein im Wortsinne lebenslanges "Wegsperren". Doch sind an diese schärfste Maßregel des Strafrechts auch strengste Voraussetzungen geknüpft. Nun hat der BGH unterstrichen, dass diese rechtlichen Vorgaben unter allen Umständen einzuhalten sind - selbst um den Preis, dass ein potenziell gefährlicher Triebtäter auf freien Fuß kommt. Denn im vorliegenden Fall liegt der Fehler nicht im Gesetz, sondern in der Schlafmützigkeit derer, die das Gesetz ausführen sollen. Und das ist der eigentliche Skandal.