Die Nachbarn formieren sich
Düsseldorf, das bergischeStädtedreieck und der Niederrhein stehen im Abseits.
<strong>Düsseldorf/Aachen/Köln. Kirchturmdenken hilft im Zeitalter der Globalisierung nicht weiter. Deshalb rücken Kreise, Städte und Gemeinden in vielen Regionen von Nordrhein-Westfalen enger zusammen: Stadt und Kreis Aachen gründen eine Städteregion, an der Ruhr gibt es einen neuen Städtebund, und der Rhein-Kreis Neuss schließt sich der Region Köln/Bonn an. Das selbstbewusste Düsseldorf, der Niederrhein sowie das bergische Städtedreieck Wuppertal, Solingen und Remscheid stehen bei der Bündelung der Kräfte (noch) im Abseits. Udo Siepmann, Hauptgeschäftsführer der IHK Düsseldorf, sieht die Entwicklung mit großer Sorge: "In unserer Region fehlt es an gemeinsamen Strukturen." Im Vergleich etwa zum Ruhrgebiet könnte es dadurch zu empfindlichen Einbußen in der Wirtschaft kommen (siehe Kasten)."Wir wollen mehr Gewicht, damit der Raum nicht vergessen wird", sagt deshalb auch Markus Terodde, Geschäftsführer des Zweckverbandes Städteregion Aachen. Wenn es um Industrieansiedlungen geht, um Fördermittel oder politische Stimmgewalt, wolle man im Konzert der Großen mitspielen. Viele Stadt- und Kreis-Aachener können allerdings mit dem neuen Konstrukt noch nicht viel anfangen. Bei der Kommunalwahl 2009 werden sie zum ersten Mal merken, dass sich etwas verändert hat: Die Regionsbürger werden dann zum ersten Mal den Städteregionstag und den Städteregionsrat, den höchsten Repräsentanten der Region wählen.
Kreis und Stadt Aachen wollen zehn Prozent der Kosten sparen
Die Städteregion ist ein Zweckverband aus Stadt und Kreis Aachen und den neun kreisangehörigen Städten. Der Kreis Aachen wird aufgelöst und geht mit seinem Vermögen, den Aufgaben und dem Personal an die Städteregion über. Die Stadt Aachen überträgt Pflichtaufgaben wie Altenarbeit, Arge oder Rettungswesen der Städteregion. Insgesamt werden zwölf Aufgabenbereiche gemeinsam erledigt. Die Stadt Aachen bleibt kreisfrei, und der Oberbürgermeister wird auch weiterhin den Karlspreis verleihen.
Mit dem Wegfall von Doppelarbeit wollen die Kommunen sparen. Bis 2015 sollen es zehn Prozent sein bei einem Modell-Haushalt für die neu zusammengelegten Aufgaben von 130 Millionen Euro. "Für die unter dem Sparzwang stehenden Kommunen ist das ein wichtiger, aber nicht der einzige Aspekt", sagt der Zweckverband-Geschäftsführer Terodde. Viel wichtiger ist für die Beteiligten der Imagegewinn der Region.
Im Ruhrgebiet gibt es bereits seit Jahrzehnten Kooperationen über Städtegrenzen hinweg. Doch der "real existierende" Regionalverband Ruhr (RVR) erstickt nach Ansicht von Kritikern in mühsamer Gremienarbeit und aufgeblähter Bürokratie. Deshalb haben sich vor kurzem zwölf Oberbürgermeister und Landräte auf ein Grundsatzpapier geeinigt, in dem für einen neuen "Städtebund Ruhr" und eine "neue Kultur der Kooperation" geworben wird. Der Koordinationsbedarf sei erheblich und gehe weit über die Aufgaben des öfffentlich-rechtlichen RVR hinaus, heißt es.
Die obersten Vertreter der Kommunen wollen sich künftig verbindlicher abstimmen - ohne zusätzlichen Verwaltungs-Wasserkopf. "Räumliche Verflechtungen, knappe Ressourcen und die Zunahme überörtlicher Handlungserfordernisse führen zu einem Miteinander, das vorhandene Potenziale nutzen, Synergien erzielen und Kosten sparen lässt", berichtete die Stadt Dortmund. Die Städte sollen freiwillige und in verschiedenen Projekten kooperieren wie etwa beim Masterplan Ruhr oder regionalen Flächennutzungsplänen.
Zustand "Gemessen am Ruhrgebiet ist die Zusammenarbeit am Rhein unterentwickelt", kritisiert der Düsseldorfer IHK-Hauptgeschäftführer Udo Siepmann. Regionale Zusammenarbeit im Rheinland (Regierungsbezirke Köln und Düsseldorf - ohne Ruhrstädte) gebe ist nur in kleinräumigen Ansätzen. In der Region Düsseldorf/Mittlerer Niederrhein sei sie fast zusammengebrochen. Auch die Kooperation zwischen den großen Metropolen Köln und Düsseldorf sei nicht weitergekommen. Den Nachbarn habe die Düsseldorfer Idee von einer Rhein-City nicht gefallen.
Perspektive Im Rheinland fehle eine organisatorische Klammer, sagt Siepmann. "Es gibt weder eine gemeinsame Regionalplanung noch Instrumente der Koordination und Kooperation wie im Ruhrgebiet." Weil das Rheinland es nicht aus eigener Kraft schaffe, Interessen zu organisieren, setzt Siepmann auf eine Verwaltungsstrukturreform der Landesregierung. Zwei Landschaftsverbände, fünf Bezirksregierungen und der RVR gehörten ersetzt durch nur drei Mittelinstanzen: Ruhrgebiet, Rheinland und Westfalen. Siepmann: "Die Wirtschaft will das Ihre dazu beitragen, das Rheinland nach vorne zu bringen."
Zweckverband Die Städteregion Aachen ist der Zusammenschluss von Stadt und Kreis Aachen sowie neun kreisangehörigen Kommunen. Zusammen haben sie 570 000 Einwohner. Es ist die erste Städteregion in NRW und nach Hannover die zweite in Deutschland. Der Zweckverband Städteregion als vorbereitendes Gremium besteht seit 2004.
Organisation Mit der Kommunalwahl 2009 beginnt die Umsetzung der Städteregion als politisch legitimierte Gebietskörperschaft: Der Kreis Aachen wird aufgelöst und geht mit seinem Vermögen, den Aufgaben und dem Personal in die Städteregion über. Die Stadt Aachen überträgt Aufgaben an die Städteregion, bleibt aber weiterhin kreisfreie Stadt mit einem eigenen Oberbürgermeister.
Wahl 2009 wird zum ersten Mal das Parlament des Zusammenschlusses gewählt. Die Bürger wählen in der Kommunalwahl den Städteregionstag mit 72 Mitgliedern und als höchsten Repräsentanten den Städteregionsrat.
Etat Der Modell-Haushalt für die neuen gemeinsamen Aufgaben beträgt 130 Millionen Euro. Die Städteregion wird 1130 Stellen haben. Nach Angaben des Zweckverbandes soll es keine betriebsbedingten Kündigungen geben. Sitz der Städteregion wird das Kreishaus Aachen sein.