Mehr Spielraum Flüchtlingsintegration: Städte rufen um Hilfe
Oberbürgermeister möchten mehr Spielraum für eigene Maßnahmen vor Ort haben und fordern finanzielle Handlungsfreiheit.
Düsseldorf. Auf Landesebene wird seit Monaten über einen Integrationsplan für Flüchtlinge diskutiert. Nun erheben diejenigen die Stimme, die „vor Ort das schaffen müssen, was andere gern versprechen“. So drückt es Pit Clausen (SPD) aus. Er ist Vorsitzender des Städte-tages NRW und Oberbürgermeister (OB) von Bielefeld.
Zusammen mit seinen Oberbürgermeisterkollegen Thomas Geisel (Düsseldorf, SPD), Thomas Kufen (Essen, CDU) und Thomas Hunsteger-Petermann (Hamm, CDU) ging Clausen Dienstag vor die Presse, um einen eindringlichen Appell ans Land loszuwerden. Der Städtetag fordert das Land auf, einen angemessenen Anteil der sogenannten Integrationspauschale des Bundes an die Kommunen weiterzuleiten. Integrationsaufgaben müssten am örtlichen Bedarf ausgerichtet werden, es dürfe nicht nur fachgebundene Fördermittel vom Land geben. Die Kommunen müssten Spielraum für an örtlichen Gegebenheiten ausgerichtete Integration haben.
Hintergrund: In den Jahren 2016, 2017 und 2018 fließen jährlich 430 Millionen Euro für Integrationszwecke vom Bund ans Land. „Wir brauchen flexibel einsetzbare Unterstützungsmittel“, sagt Clausen und mahnt auch: „Der Integrationsaufwand darf nicht zu Sonderbelastungen der Bürger führen — etwa durch höhere Grundsteuern“. Eine Integration, die die Bürger vor Ort mit Sonderlasten belastet, schwäche die Aufnahmebereitschaft in Stadtgesellschaften. Das werde denjenigen, „die kein Interesse an der Lösung der Herausforderungen für unsere Gesellschaft haben, in die Hände spielen.“ Daran könne niemand ein Interesse haben.
In einer Reaktion auf die Pressekonferenz der Oberbürgermeister hieß es aus der Staatskanzlei, dass NRW so viel in Maßnahmen der Integration von Flüchtlingen investiere wie kein anderes Bundesland. 4,6 Milliarden Euro habe die Landesregierung 2016 für Unterbringung und Integration veranschlagt. Ab Januar 2017 bekämen die NRW-Kommunen eine monatlich Pro-Kopf-Pauschale in Höhe von 866 Euro.
Dass es verschiedene gute Ansätze für die Integration auf kommunaler Ebene gibt, zeigten einige Beispiele, die die Stadtchefs Dienstag mitgebracht hatten. In Bielefeld etwa helfen Geflüchtete anderen Geflüchteten als Integrationslotsen. In Essen werden Flüchtlinge an „pflegenahe Tätigkeiten“ herangeführt. In Düsseldorf gibt es die „Welcome Points“ — Begegnungsstätten für Flüchtlinge mit alteingesessenen Düsseldorfern.
Clausen betont, wie wichtig es sei, Arbeitsgelegenheiten zu schaffen, selbst wenn es nur Ein-Euro-Jobs sind — etwa als Assistenz in der Kitaküche oder in Gärtnereien. Mehr als die Hälfte der Flüchtlinge, so sagt er, seien alleinstehende junge Männer. „Wenn wir denen erst nach sechs Jahren etwas auf dem ersten Arbeitsmarkt anbieten können und sie zuvor in der Hängematte gelassen werden, müssen wir uns nicht wundern, wenn sie es sich darin bequem eingerichtet haben. Oder mit ihrer ganzen Kraft auf falsche Ideen kommen.“ „Integration“, so sagt es der Essener Oberbürgermeister Kufen, „kostet die Gesellschaft Geld. Aber keine Integration kostet noch viel mehr Geld.“
Dabei sind sich auch die Oberbürgermeister längst nicht immer einig, welches der richtige Weg zur Integration ist. Das wurde beim Thema Unterricht für Flüchtlingskinder deutlich. Während Hamms OB Hunsteger-Petermann dafür plädierte, dass Flüchtlingskinder nicht einfach ins normale Schulsystem integriert werden könnten, sondern dass es Förderklassen geben müsse, sieht Düsseldorfs OB Geisel das anders. Es müsse eine intensive Sprachförderung parallel zum Unterricht in der Regelklasse geben. Regelklassen, die dauerhaft nur aus zugewanderten Schülern bestehen, seinen kaum integrationsförderlich.
Nach Zahlen der nordrhein-westfälischen Landesregierung kommen derzeit noch rund 1450 Flüchtlinge pro Woche nach NRW. Im Januar und Februar waren es im Schnitt noch 4000 bis 5000 pro Woche.