Für die Kumpel ist Schicht
Mit dem Bergwerk Walsum stellt die erste von noch acht deutschen Steinkohlezechen ihre Förderung ein.
Voerde. Die Kumpel sind tief enttäuscht über das absehbare Ende der Steinkohle. "Es bricht mir das Herz, dass das Bergwerk politisch geschlossen wurde", sagt Thomas Heinelt zum Aus der Duisburger Zeche Walsum. Heinelt ist Zechen-Betriebsrat und betreut bis Jahresende die Kumpel, die nach dem Förderstopp auf Walsum noch mit den Aufräumarbeiten beschäftigt sind. Am 31. Dezember ist endgültig Schicht im Schacht. Dann kommt der Deckel drauf. Zwei Jahre muss Heinelt dann noch auf einer anderen Zeche ’ran, bis zum Vorruhestand mit 50.
Das vom Bundestag beschlossene Zechensterben ist gestern mit dem Aus von Walsum in die Endphase gegangen. Die RAG Deutsche Steinkohle AG läutete mit dem Förderstopp die erste Runde auf dem Weg zum endgültigen Ende ein. Acht Bergwerke mit einer Förderleistung von 21 Millionen Tonnen und eine Belegschaft von 30 000 Bergleuten gilt es bis 2018 aufzulösen.
Nummer eins, Walsum, hinterlässt 1375 Beschäftigte an den drei Schachtstandorten Walsum, Rheinberg und Voerde. Ebenso viele sind schon in den vergangenen 18 Monaten gegangen. Die meisten von ihnen sind echte Bergleute. Ihre Weiterbeschäftigung wird schwierig.
Die RAG DSK verteilt zwar die meisten auf andere Zechen. "Das Problem vergrößert sich allerdings mit jeder Schließung", sagt Betriebsratschef Michael Hörning. Und das nächste Aus zum Jahresende für das Bergwerk Lippe in Gelsenkirchen steht schon fest.
"Wir müssen hier und da mit einem Personalüberhang leben. In der Spitze mit bis zu 2500 Bergleuten." Bis 2012 will die RAG DSK vor allem die jüngeren Bergmänner in andere Branchen vermitteln. Die Älteren sollen unter Tage weitermachen, um mit 50 Jahren Anspruch auf die "Anpassung" zu haben, den Vorruhestand.
Anspruch auf Vorruhestand haben aber nur Kumpel, die mindestens 50 Jahre alt sind und 20 Jahre unter Tage waren. Wer früher gehen muss, verliert den Anspruch auf die "Anpassung". So kann auch Benjamin Schachner kaum an Vorruhestand denken. Er ist 25 und seit vier Jahren auf Walsum. "Es ist traurig, allein schon wegen der Tradition. Die Moral der Kollegen ist im Keller." Er wird sich irgendwann einen anderen Job suchen müssen.
Holger Frank kommt gerade mit dem Förderkorb hoch. Er ist aus der Wetterabteilung und muss bis Jahresende Schächte eindämmen. Mit seinen 42 Jahren muss er noch acht Jahre unter Tage arbeiten. "Es geht einem schon ans Herz. 15 Jahre lang habe ich mit den Leuten super zusammengearbeitet."
Jetzt kommt er nach Prosper Haniel in Bottrop. "Prosper soll die längste Zeche sein", glaubt er. Das wäre dann 2018. Aber Bergleute sind hartgesotten. "Ich kenne keinen, der weint", sagt Norbert Kesselheim. Der 45-Jährige ist seit 1990 auf Walsum, damals waren Belegschaft und Fördermenge noch doppelt so groß. "Das ist ein schleichender Prozess, da findet man sich mit ab."
Wer nicht auf eine andere Zeche wechselt, für den sucht die RAG DSK fieberhaft nach anderen Arbeitgebern. Manche gehen zum Beispiel zu ThyssenKrupp. "Unsere Jungs sind alle gut ausgebildet. Es ist ja nicht so, dass die mit nacktem Oberkörper und Presslufthammer unter Tage Kohle abbauen", sagt Betriebsrat Hörning. "Das sind Mechatroniker, Schlosser und Elektroniker."
Ganz arm dran bleiben jedoch die Bergleute aus Zulieferfirmen, wie Thyssen Schachtbau oder Daniel Heilmann. Sie werden seit Jahr und Tag wie andere Bergleute eingesetzt. "Wir machen aber jetzt mit dem vielen Personal fast alles selber", sagt Hörning. Außerdem gibt es kaum noch Streckenvorbau. Die Aufträge werden weniger. Viele könnten noch vor der Anpassung ihren Job verlieren.