NRW Grüne Selbstkritik kommt ohne Selbstzerfleischung aus
Für die NRW-Grünen geht es jetzt um Fehler-Analyse und schnelle Konsequenzen. Zu schmerzvoll war der Absturz bei der Landtagswahl auf 6,4 Prozent. Bei der ersten Wahlanalyse in Mülheim gibt es keine neuerlichen Rückzugsforderungen an die bisherigen Spitzenkräfte.
Mülheim. Rückzugsforderungen von Teilen der Basis an die bisherigen Minister, anonyme und öffentliche Schuldzuweisungen, an die Presse durchgestochene Interna: Nach der Wahlpleite schien bei den NRW-Grünen das große Hauen und Stechen zu beginnen. Aber wer eine Woche später eine Eskalation bei der ersten Wahlanalyse auf dem kleinen Parteitag in Mülheim erwartet hat, sieht sich getäuscht.
Symptomatisch für die selbstkritische, aber nicht selbstzerfleischende Atmosphäre sind zwei Sätze aus einem ergänzenden Antrag des früheren Fraktionsvorsitzenden Roland Appel: „Auf gewählte Abgeordnete Druck auszuüben, ihr Mandat nicht anzunehmen oder zurückzugeben, darf es bei Bündnis 90/Die Grünen nicht geben.“ Und: „Verantwortung zu übernehmen, heißt Einsicht in solidarische Kritik, nicht Rücktritt.“
Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann („Ich scheide ohne Zorn“) hat gleichwohl schon ihren Rückzug angekündigt. Sie verwahrt sich mit Blick auf ihre Parteikollegen Jürgen Trittin und Winfried Kretschmann gegen Einmischungen von außen: „Wir schaffen das allein mit unserer Aufarbeitung.“ Damit trifft sie den Nerv des Landesverbandes. In ihrer Fehleranalyse verweist sie darauf, 50 Prozent der grünen Wähler hätten nicht gewusst, wofür die Grünen stehen.
Bei der Landtagswahl hatte die Partei 610 000 ihrer Wähler von 2012 verloren, aber nur 280 000 neue hinzugewonnen. Der Verlust an die SPD erfolgte vor allem wegen des Themas soziale Gerechtigkeit, an CDU und FDP wegen der Schul- und Bildungspolitik.
Landesvorsitzende Mona Neubaur („Manchmal waren wir gegenüber dem Koalitionspartner loyaler als gegenüber uns selbst“) fordert innerparteiliche Geschlossenheit und mit Blick auf die Bundestagswahl klare Themensetzungen: gegen industrielle Massentierhaltung, für den endgültigen Atomausstieg, ein Einwanderungsgesetz und eine humane Flüchtlingspolitik.
Ihr Amtskollege Sven Lehmann räumt ein, die Wahlkampagne sei zu sachlich gewesen und habe keine Empathie ausgestrahlt. Auch müsse die Partei darauf verzichten, in die persönliche Lebensweise der Menschen eingreifen zu wollen, und stattdessen mehr klare Kante gegenüber der Industrie zeigen.
Dem Landesvorstand geben die Delegierten den Auftrag mit, jetzt zügig die Wahlniederlage weiter aufzuarbeiten und einen Erneuerungsprozess in die Wege zu leiten. Denn beim Landesparteitag am 1. Juli in Dortmund müssen endgültig die Weichen in Richtung Bundestagswahlkampf gestellt werden.
Ob die Mülheimer Appelle an die parteiliche Geschlossenheit fruchten, wird sich aber schon am Dienstag zeigen. Bei der konstituierenden Fraktionssitzung wollen Arndt Klocke und Monika Düker für ihr Modell werben, die Fraktion als Doppelspitze zu führen. Auch für die parlamentarische Geschäftsführung ist eine Doppellösung im Gespräch — mit den jüngeren Kräften Josefine Paul und Verena Schäffer, beide zuletzt stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Anfang nächster Woche sollen die Fraktionsposten dann neu besetzt werden.