Schnell-Analyse Hannelore Kraft setzt auf einen Lotus-Effekt
Hannelore Kraft wurde am Samstagmittag in Düsseldorf einstimmig zur Spitzenkandidatin der NRW-SPD akklamiert. Die Schnell-Analyse von WZ-Chefredakteur Ulli Tückmantel.
Düsseldorf. Kein Wort zum Fall Amri, nichts zu all den vielen Kritikpunkten der Opposition an der rot-grünen Koalition, stattdessen viele Versprechen, die sich an das soziale Herz der für die Sozialdemokratie erreichbaren Bevölkerungsgruppen richten. Garantierte Streit-Themen wie die Vermögenssteuer nannte Hannelore Kraft nicht beim Namen, sondern beschrieb sie aus der Perspektive des erwünschten Effekts: „Gerechtigkeit“ — worunter jeder verstehen kann, was er will, von Inklusion als Herzensangelegenheit bis an die Grenze der Enteignung.
Kein Wort zur Finanzierung von landesweit einheitlichen Kindergartengebühren, dem fortgesetzten Verzicht auf Studiengebühren, gleiche Wohltaten für Handwerker und Lehrlinge wie für Akademiker. Wenn Krafts Rede richtungweisend für den Wahlkampf der NRW-SPD ist, dann setzt sie auf einen Lotus-Effekt: Partei und Kandidatin lassen einfach alles an sich abperlen. Bezeichnenderweise kamen politische Gegner in Krafts Rede nicht einmal vor, schon gar nicht namentlich. Partei und Kandidatin zielen ausschließlich auf die Rechtgläubigen im eigenen Lager.
Dahinter dürfte die Überzeugung stehen, eine Mehrheit per Mobilisierung erreichen zu können, ohne dafür mühselig und argumentativ Gegner und Zweifler überzeugen zu müssen. Zu Beginn von Krafts Rede gab es den lautesten Applaus für die Grüße des designierten Kanzlerkandidaten Martin Schulz und die Ankündigung, am Aschermittwoch komme er nach Schwerte.
Am Samstag zog die neue Lichtgestalt der Sozialdemokratie es allerdings vor, in Schleswig-Holstein Wahlkampf an der Seite von Ralf Stegner zu machen. So blieb es immerhin für etwas über eine Stunde bei dem, was Düsseldorfs Oberbürgermeister Thomas Geisel der Spitzenkandidatin, Parteivorsitzenden und Ministerpräsidentin in seinem Grußwort bescheinigte: „Seit Johannes Rau hat niemand unser Bundesland so verkörpert wie Hannelore Kraft.“
Bei der Landtagswahl am 14. Mai geht es darum, ob man das gut oder problematisch findet.