NRW unter Schwarz-Gelb Heimatkongress: Ina Scharrenbach - eine Ministerin mit „Vaterlandsliedern“
Beim Heimatkongress in Münster posierte Ina Scharrenbach (CDU) mit einer Heino-Platte, deren „Vaterlandslieder“ sich teils auch im „Liederbuch der SS“ wiederfinden.
Münster. Beim ersten „Heimatkongress“, den das NRW-Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung am Wochenende in Münster veranstaltete, hatte Ministerin Ina Scharrenbach eine Überraschung im Gepäck: Heino. „Den rund 520 Mitgliedern von NRW-Heimatvereinen präsentierte Ministerin Ina Scharrenbach (CDU) den fast 80 Jahre alten Schlagersänger und seine Partnerin Hannelore“, vermeldete das Ministerium in einer Presseerklärung.
Der gebürtige Düsseldorfer „mit dunkler Sonnenbrille und blonden Haaren als Markenzeichen“ habe sich als einer der ersten Heimatbotschafter engagiert, so das Ministerium, und: „Er singe seit über 50 Jahren über Heimat, sagte Heino: ,Ich bin froh, dass man überhaupt das Wort Heimat wieder in den Mund nimmt.’“
Scharrenbach wiederholte in Münster laut Mitteilung, ihr Ministerium habe ganz bewusst auf eine Definition des Begriffs Heimat verzichtet: „Wer den Begriff festlegt, grenzt aus, nicht ein.“ Heimat habe viel mit unsichtbaren Wurzeln eines jeden Menschen zu tun, die Halt, Orientierung und Überschaubarkeit in einer unübersichtlich gewordenen Welt bieten.
Dazu verbreitete Scharrenbach ein Foto, auf dem sie gemeinsam mit Heino eine Doppel-LP des Sängers aus dem Jahr 1981 in die Kamera hält — und das politische Fragen aufwerfen dürfte. Titel des Albums, das im Handel nicht erhältlich ist: „Die schönsten Deutschen Heimat- und Vaterlandslieder.“
In den 24 Liedern des Doppelalbums, das vor 37 Jahren von der TV-Zeitschrift „Hörzu“ (damals Springer-Verlag) veröffentlicht wurde, besingt Heino eine „deutsche“ Heimat- und Vaterlandsvorstellung, die mit Ausnahme des „Steiger-Liedes“ keinen NRW-Bezug hat, dafür aber das Staatsgebiet der Bundesrepublik weit überschreitet und sich ideologisch mit Liedgut-Sammlungen der Vorstellungswelt von 1938 überschneidet.
So enthält die Sammlung nicht nur landsmannschaftliche und koloniale Stücke, in denen im Stil der Zeit frühere deutsche und „großdeutsche“ Gebiete besungen werden wie das Schlesier-, das Ostpreußen-, das Südwester- und das Andreas-Hofer-Lied. Daneben sind Darbietungen enthalten, die Soldaten- und Kriegslied-Sammlungen des 19. Jahrhunderts entstammen und auch solche, die wegen ihres Waffengewalt, Nationalismus und Chauvinismus verherrlichenden Inhalts von den Nationalsozialisten besonders gefördert wurden.
Besonders sticht aus der Sammlung das heute überwiegend unbekannte Lied „Wenn Alle Untreu Werden“ (Max von Schenkendorf, 1814) hervor, das von der SS als das „Treuelied“ gesungen wurde. Im „Liederbuch der SS“ (Wahlspruch: Meine Ehre heißt Treue), das in den 1930er und 1940er Jahre im Münchner Zentralverlag der NSDAP erschien, wird es an dritter Stelle hinter dem Horst-Wessel-Lied und dem Deutschlandlied aufgeführt.
Auch die häufig auf Schallplatten-Pressungen des Horst-Wessel-Lieds als B-Seite verwendete „Märkische Heide“ ist auf dem Heino-Album enthalten. Von den 24 Liedern des Doppel-Albums finden sich mindestens fünf in allen Auflagen des SS-Liederbuchs wieder.
Indiziert oder verboten ist keines der Stücke auf dem Heino-Album. Auch enthält das SS-Liederbuch mit seinen knapp 200 Liedern etliche, die von den Nationalsozialisten missbraucht und aus dem Kontext gerissen wurden, so die SPD-Hymne „Wann wir schreiten Seit’ an Seit’“. Auffällig ist eher die Zusammenstellung auf dem Heino-Album.
Zur Entstehung des Fotos erklärte das Ministerium auf Anfrage, das Ehepaar Kramm (Heino und Hannelore) habe zwei Schallplatten und vier CDs als Gastgeschenke mit zum Kongress gebracht. Diese sechs Geschenke seien bei der Übergabe nicht unter dem Aspekt der politischen Korrektheit überprüft worden. „Es handelt sich vielmehr um historische Dokumente, also musikalische Zeitzeugen, die in den Fundus des Ministeriums aufgenommen werden“, so ein Sprecher.
Heino habe sich aus Eigeninitiative zum Kongress angemeldet und sei nicht auf Initiative und Wunsch von Ministerin Ina Scharrenbach gekommen. Dass ein Foto mit der Schallplatte „Die schönsten deutschen Heimat- und Vaterlandslieder“ aufgenommen wurde, sei reiner Zufall: „Die Ministerin hat vor der Annahme des Geschenks nicht die Titel der Schallplatte zur Kenntnis genommen. Dabei bestand am Rande der Pressekonferenz, bei der das Foto aufgenommen wurde, gar keine Gelegenheit.“
Die Ministerin habe bei dem Pressetermin keine Gelegenheit gehabt, eine inhaltliche Überprüfung der Titel oder Texte der Schallplatten vornehmen zu lassen: „Sie verwahrt sich aber strikt dagegen, in irgendeiner Weise mit der nationalsozialistischen Ideologie in Verbindung gebracht zu werden“, so ihr Sprecher.
Gleichwohl verweise man darauf, dass viele der Lieder auf dem Album weiter gebräuchlich seien und keine Nähe zu irgendwelchen Ideologien beinhalteten. Als Beispiel nennt das Ministerium das Steiger-Lied, welches gespielt und gesungen werde, wenn die Fußballmannschaft des FC Schalke 04 zu einem Heimspiel in Gelsenkirchen antrete.