Innenminister Jäger: Kontrolle vernachlässigt
In der Sondersitzung des Innenausschuss räumt der Minister Fehler ein — mehr nicht.
Düsseldorf. Ralf Jäger (SPD), Innenminister, Marathon-Blitzer, selten um einen schneidigen Auftritt verlegen, sitzt mit gerötetem Gesicht im Landtag und kämpft mit einem leichten Belag auf der Stimme. „Ich sage ganz selbstkritisch: Die Frage der Kontrolle haben wir vernachlässigt“, räumt Jäger in der Sondersitzung des Innenausschusses zu den Missständen bei der Unterbringung von Asylbewerbern ein.
Der Landtags-Opposition von CDU, FDP und Piraten, die den Innenminister gern auf den politischen Grill werfen würde, ist das zu wenig. Jäger, wenn auch etwas kleinlauter als sonst, hat keine Lust, bei diese Grillparty das Würstchen zu sein. Jäger versuche erneut, der Debatte zu entgehen, hält ihm Peter Biesenbach (CDU) vor.
Jäger bestreitet mit einiger Empörung, in seinem Umfeld und bei seinen Behördenleitern den Eindruck erweckt zu haben, er wolle gar nichts von Problemen hören. Er habe schließlich das Landeskriminalamt angewiesen, in dieser Sache alle Steine umzudrehen — „auch die schmutzigen“. Jäger legt sich erneut fest: Keiner in seinem Haus habe von den Übergiffen gewusst, jedenfalls nicht vor dem 26. September.
Das war der Tag, an dem Innenminister Jäger laut eigener Aussage zum ersten Mal erfuhr, dass in der Asylbewerber-Unterkunft Burbach mindestens ein Flüchtling von Wachleuten eines privaten Sicherheitsdienstes gezwungen wurde, sich auf eine Matratze mit Erbrochenem zu legen, und Wachleute sich dabei gefilmt hatte, wie sie einem am Boden liegenden Flüchtling einen Stiefel auf den Hals stellten. Bislang kann die Opposition dem Innenminister das Gegenteil nicht beweisen. Die in Burbach zuständige Kreispolizei Siegen-Wittgenstein — aufgrund andauernder Probleme in der Unterkunft schon lange personell verstärkt — wusste spätestens seit dem 22. August, dass der beauftragte Wachdienst in der Unterkunft ein „Problemzimmer“ betrieb, dass als Friseursalon getarnt worden war.
Nur, was der Wachdienst dort getrieben habe, will vor dem 26. September keiner gewusst haben. Trotzdem wurde nach der Entdeckung am 22. August — also satte vier Wochen , bevor Jäger nach eigenem Bekunden von den Folterungen erfuhr — der Wachdienst sofort ausgetauscht. Dabei soll zunächst auch niemandem aufgefallen sein, dass der Austausch lediglich auf dem Papier stattfand: Der neue Wachdienst übernahm die alten Beschäftigten. Innenminister Jäger hält sich zugute, dass noch in der Nacht auf den 27. September innerhalb von fünf Stunden „um 0.49 Uhr“ der komplette Wachdienst erneut ausgetauscht worden sei.
Die Opposition hält Jäger vor, dass der neu eingesetzte Wachdienst nicht einmal den Anforderungen entspreche, die Jägers späterer Acht-Punkte-Plan an solche Dienste stelle. Der Wachdienst sei entgegen Jägers eigener Forderungen nicht Mitglied des einschlägigen Berufsverbandes, ein führender Mitarbeiter ein vorbestrafter Krimineller, der eine mehrjährige Haftstrafe abgesessen habe. Jäger erklärte, den Mann nicht zu kennen.
Für CDU-Mann Biesenbach steht fest: „In der heutigen Sondersitzung ist deutlich geworden, dass Jäger bereits lange vor dem Bekanntwerden der Misshandlung von Asylbewerbern über die skandalösen Zustände in Burbach informiert war.“
Laut Wolfgang Düren, Leiter der Polizeiabteilung in Jägers Innenministerium, sind im Zusammenhang mit Übergriffen von wachdiensten auf Asylbewerber zwischen Januar 2013 und September 2014 nach Vorfällen in sieben Einrichtungen 48 Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Davon seien zehn sofort eingestellt worden, weitere acht wegen der „geringen Schuld“. Bei den übrigen 20 laufe noch die „polizeiliche Sachaufklärung“.