Interview: „Die Linke zerlegt sich selbst“
Die Chefin der NRW-SPD, Hannelore Kraft, zur Lage ihrer Partei in Bund und Land.
Frau Kraft, wenn man auf den SPD-Wahlkampf schaut, kann man sagen: Zuerst hatten Sie kein Glück, und dann kam Ulla Schmidts Dienstwagen dazu. Wie groß ist Ihr Zorn auf die Gesundheitsministerin?
Kraft: Ich habe da keinen Zorn. Das muss transparent und nach klaren Regeln geprüft werden. Da sind der Bundestag und der Bundesrechnungshof dran.
Sie haben Urlaub im Sauerland gemacht. Mit Dienstwagen?
Kraft: Nein.
Nun hat SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier seine Visionen für Deutschland im Jahr 2020 vorgestellt und spricht von vier Millionen Jobs. Wer soll das in Zeiten der Finanzkrise glauben?
Kraft: Das ist nicht unglaubwürdig. Sicher werden wir noch einige Zeit brauchen, bis wir die Krise bewältigt haben. Aber Frank-Walter Steinmeier macht auf 67 Seiten deutlich, wie neue Jobs etwa im Gesundheitswesen, in der Altenpflege oder bei den erneuerbaren Energien entstehen können. Das stellt gerade hier in NRW einen guten Gegensatz zu CDU und FDP dar. Denn zum Beispiel bei den erneuerbaren Energien sind wir unter dieser Landesregierung massiv zurück gefallen.
Aber viele der neuen Jobs kommen nur zustande, wenn sich der Staat finanziell engagiert. Wie soll das gehen angesichts der immensen staatlichen Schulden durch die Finanzkrise?
Kraft: Wir versprechen im Gegensatz zu Schwarz-Gelb keine Steuersenkungen, sondern wollen die Spitzenverdiener in Maßen mehr belasten - zu Gunsten der Bildung. Wir präsentieren realistische Lösungen mit konkreten Zielen, im Gegensatz dazu bleibt die Merkel-CDU weiter unklar.
Dringen Sie damit durch?
Kraft: Ich glaube schon. Denn wir kümmern uns um die Kernanliegen der Menschen: Arbeit und die Sicherung ihrer Arbeitnehmerrechte. Wenn ich höre, dass Arbeitgeberfunktionäre jetzt wieder Lohnsenkungen, längere Arbeitszeiten und Urlaubsverzicht fordern, kann ich nur sagen: Die haben aus der Krise nichts gelernt. Die Arbeitnehmer sollen mal wieder verzichten, damit die Unternehmen wieder Riesengewinne machen und die Manager die dicken Boni einstreichen.
Wie kommt es dann, dass CDU und FDP in allen Umfragen weit vorne liegen?
Kraft: Warten wir ab, der Wahlkampf hat gerade erst begonnen. Ich kann nur sagen, CDU und FDP unterstützen diese Linie. Doch diese schwarz-gelbe Politik würde die sozialen Spannungen deutlich verschärfen.
Für Sie als Oppositionsführerin wäre dann ja ein Sieg von CDU und FDP in Berlin wünschenswert, damit Sie dann bei der Landtagswahl keine Rücksicht mehr auf eine Große Koalition im Bund nehmen müssten.
Kraft: Quatsch. Ich kämpfe für einen Erfolg der SPD und unseres Kandidaten. Das gibt uns Rückenwind für NRW.
Ende des Monats finden in NRW Kommunalwahlen statt. Welche Städte haben Sie besonders im Blick?
Kraft: Wir sind guter Hoffnung, einige Städte wie Köln, Duisburg, Münster oder Essen zurückzuholen. Auch auf dem Land rechne ich mit Überraschungen. Denn gerade dort sind die Menschen sauer auf die CDU - zum Beispiel wegen ihres sturen Festhaltens am dreigliedrigen Schulsystems.
Bei der Europawahl lagen zum Beispiel in Köln die Grünen vor der SPD. Haben Sie als Volkspartei ausgedient?
Kraft: Nein, wir bilden den breiten Querschnitt der Bevölkerung ab. Andere sind Klientelparteien, vor allem natürlich die FDP. Die Grünen sind vor allem in Großstädten stark, damit müssen wir uns auseinandersetzen.
Immer, wenn die SPD regieren konnte, hat sie die politische Mitte erobert. Die erwartet nun von Ihnen eine klare Absage an eine Koalition mit der Linken. Wann kommt die?
Kraft: Ich bleibe dabei: Wir suchen die Auseinandersetzung, nicht die Zusammenarbeit. Wir wollen die Partei ,Die Linke’ unter fünf Prozent in NRW halten. Das ist uns bei der Europawahl geglückt.
Noch einmal: Koalition oder nicht?
Kraft: Die Frage stellt sich nicht. Wir beobachten mit großem Interesse, dass sich die Partei ,Die Linke’ gerade in NRW selbst zerlegt.
Werden Sie vor der Landtagswahl ein Schattenkabinett präsentieren?
Kraft: Ja, ich werde ein Team vorstellen.
Zaubern Sie einen roten Millionär aus dem Hut wie Steinmeier?
Kraft: Lassen Sie sich überraschen.