JHQ: Briten blasen zum Rückzug
Mit der Auflösung der Militär-Zentrale in Rheindahlen bis 2014 entsteht eine Geisterstadt. Das ist für die gesamte Region ein Desaster.
Mönchengladbach. Der heilige Bonifatius blickt aus seinem Fenster auf eine leere Kirche, als Reverend Colin Craven die Tür aufschließt. Der Kaplan sieht zu dem Heiligen hinauf. Was wohl aus ihm wird? Aus dem Missionar in Glas - und aus dem Geistlichen. Beide gehören zur Kirchengemeinde St. Boniface der Church of England auf dem Gelände des Nato-Hauptquartiers in Mönchengladbach. Der älteste und bedeutendste britische Militär- und Nato-Standort in Deutschland, das JHQ (Joint Headquarters) in Rheindahlen, soll aufgelöst werden. Eine kleine Stadt verliert ihre Einwohner.
Rund 3500 britische Soldaten des Schnellen Eingreifkorps (ARRC) und seiner unterstellten Einheiten, die hier und im nahe gelegenen Niederkrüchten mit ihren Familien leben, sollen nach Überlegungen des britischen Verteidigungsministeriums bis 2014 nach England verlegt werden. Hinzu kommen 2400 britische Zivilbeamte, Angestellte und Angehörige. Da der Standort komplett geschlossen werden soll, wird auch das Britische Unterstützungskommando (United Kingdom Support Command Germany), das deutschlandweit die britischen Truppen unterstützt, mit weiteren rund 2040 britischen Soldaten, Beamten und Verwandten gehen.
Die meisten jungen Soldaten, die nur kurze Zeit in Deutschland stationiert sind, stört das nicht. Kaplan Craven aber kennt viele Menschen, die den geplanten Abzug schwer nehmen. Besonders schwierig sei die Situation für die vielen deutsch-britischen Ehepaare. Ein Drittel seiner Hochzeits- und Taufsegen spricht er in Deutsch und Englisch aus.
"Aber auch für viele andere Soldaten und Familien ist Deutschland ein Zuhause geworden", sagt der 59-Jährige, der sich selbst kaum entscheiden kann, ob er seinen Rentenwohnsitz nun in Deutschland oder auf der Insel haben möchte. Aus seiner Gemeindearbeit weiß Craven, dass "viele hier Häuser bauen und bleiben wollten". Doch die Lage ist nun völlig anders, wenn Freunde und Bekannte vielleicht nach England umziehen.
Ab 2009 sollen kontinuierlich Einheiten aus dem JHQ und der Javelin-Kaserne Niederkrüchten-Elmpt, die ebenfalls geschlossen werden soll, abgezogen werden. Insgesamt verlassen mit dem ARRC und dem Unterstützungskommando 2690 britische Soldaten, Beamte, Angestellte und Familienangehörige Elmpt; in Rheindahlen sind es rund 5270.
Geschichte Die Alliierten beanspruchten Anfang der 1950er Jahre für ein Hauptquartier ein Waldstück, auf dem eigentlich eine Lungenheilanstalt errichtet werden sollte. Der Mönchengladbacher Franz Meyers, gerade NRW-Innenminister geworden, verhandelte und konnte mit der Aussicht auf einen Protestmarsch der Bevölkerung erreichen, dass die Briten ein "Kompromiss-Gelände" einige Kilometer weiter auswählten. Von 1952 bis 1954 wurde auf 400 Hektar das JHQ (Joint Headquarters) als gemeinsames Hauptquartier der Britischen Rheinarmee gebaut. Die Royal Airforce Germany war hier stationiert, die Hauptquartiere der Northern Army Group und der 2.Alliierten taktischen Luftflotte, seit 1996 das Schnelle Eingreifkorps der Nato und das Britische Unterstützungskommando.
Häuser Die 1400Dienstwohnungen und -häuser im JHQ gehören, bis auf wenige Ausnahmen, dem Bund (wie das Gelände) und stammen aus den 50ern. Die Gebäude, die von den Briten später gebaut wurden, müsste der Bund ihnen beim Abzug abkaufen. Außerhalb des JHQ gibt es rund 390 weitere Häuser bzw. Wohnungen.