Justizminister Biesenbach zum Fall Sami A.: „Der Rechtsstaat funktioniert“

Justizminister Peter Biesenbach (CDU) lässt die Attacken der Opposition im Rechtsausschuss an sich abgleiten.

Foto: dpa

Düsseldorf. Justizminister Peter Biesenbach (CDU) macht ziemlich rasch klar, wohin die Reise gehen wird an diesem Montagmittag. „Ich habe mich gefragt: Wozu diese Sondersitzung?“ Hätte man nicht auch einfach in der nächsten regulären Sitzung des Rechtsausschusses über den Fall Sami A. und die Debatte im Anschluss an dessen Abschiebung sprechen können, will er von der Opposition wissen. Es gebe „weder eine Rechtsstaatskrise noch eine Krise von Staatsgewalten untereinander“. Vielmehr liefere der Fall des abgeschobenen Tunesiers „ein glänzendes Beispiel, dass unser Rechtsstaat stark ist, gelebt wird und funktioniert“.

Die SPD hatte die Sondersitzung im Landtag beantragt. Fraktionschef Thomas Kutschaty wollte Biesenbach dort „auf die Anklagebank“ setzen, weil er die Justiz nicht vor seinen Ministerkollegen Joachim Stamp (FDP) und Herbert Reul (CDU) geschützt hätte. Fraktionsvize Sven Wolf forderte im Vorfeld eine Entschuldigung des Justizministers für den Schaden, den das Kabinett der dritten Gewalt zugefügt habe. Die Sondersitzung beginnt um 12.31 Uhr — spätestens um 12.34 Uhr ist klar, dass es eine Entschuldigung oder dergleichen nicht geben wird.

Eine Menge Positives kann Biesenbach der aktuellen Debatte abgewinnen. Sie zeige, mit welcher Vehemenz der Rechtsstaat verteidigt würde und das mache ihn stolz. Auch die Klarheit, mit der Ricarda Brandts, Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts (OVG), ihre Meinung und Kritik vorgebracht habe, freue ihn. Ihre Worte seien doch „klar, präzise, differenziert“. Brandts hatte im Interview die Überzeugung vertreten, im Fall Sami A. „wurden offensichtlich die Grenzen des Rechtsstaates ausgetestet“. Dass Behörden auf Nachfrage den Termin der geplanten Abschiebung verschleiert hätten, habe Fragen zu Demokratie und Rechtsstaat, Gewaltenteilung und effektivem Rechtsschutz aufgeworfen. Biesenbach erklärt, er schätze Brandts und „arbeite gern mit ihr zusammen“.

Aber eine Vertrauenskrise zwischen den Gewalten könne man doch aus diesem „Einzelfall“ nicht ableiten, glaubt der CDU-Politiker. Dass die Ausländerbehörde Bochum und das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen sich derzeit vielleicht nicht grün sind, lässt er gelten. Ansonsten möge man die Situation aber „nicht dramatisieren“. Weder mochte Biesenbach die Entscheidung des OVG, Sami A. müsse zurückgeholt werden, noch das Verhalten von Stamp und Reul in der Sache kommentieren. Klar äußerte er sich allein dazu, dass Pöbeleien, die sich nun über den beteiligten Richtern ergießen, gar nicht gehen: „Hier stelle ich mich nicht nur hinter, sondern vor die Richterinnen und Richter.“

SPD-Mann Wolf reicht das nicht. Er habe sich „einen demütigeren Einstieg“ vom Minister gewünscht und fragt: „Wie sorgen Sie dafür, dass sich so ein Fall nicht wiederholt, in dem Gerichte sich getäuscht fühlen?“ Rückendeckung erhält er von Berivan Aymaz (Grüne), die Biesenbach einen E-Mail-Wechsel zwischen der Ausländerbehörde in Bochum und dem Integrationsministerium vorhält. Darin weist das Ministerium die Bochumer explizit an, dem Gericht den genauen Abschiebungstermin nicht anzukündigen — Stamp selbst hatte diesen Schriftverkehr bei seiner Pressekonferenz nach der OVG-Entscheidung ausgehändigt. „Diese Aussage ist skandalös“, findet Aymaz.

Als Antwort zitiert Biesenbach aus dem OVG-Beschluss, die Annahme des Integrationsministeriums, eine Information des Gerichts über die geplante Rückführung von A. sei wegen des sicherheitsstrategischen und politischen Stellenwertes nicht möglich, sei mit rechtsstaatlichen Prinzipien nicht vereinbar — um hinterherzuschieben, aus dieser „Annahme“ sei aber nicht abzuleiten, es hätte eine bewusste und vorsätzliche Täuschung gegeben. Raunen in den Bänken der Opposition. Doch auch auf den Vorwurf von Aymaz, er werde seinem Amt so nicht gerecht, reagiert der Justizminister nicht mehr.

Noch deutlicher bügelt er vehemente Forderungen ab, sich zu den Äußerungen von Innenminister Reul zu positionieren. Der hatte kritisiert, die Richter hätten sich nicht am Rechtsempfinden der Bevölkerung orientiert. Und so, glaubt Hans-Willi Körfges (SPD), habe er die Menschen legitimiert, die jetzt Mitarbeiter des Gelsenkirchener Verwaltungsgerichtes anfeinden. Doch er werde da nicht nachtreten, erklärt Biesenbach rundweg. „Sie reiten ein totes Pferd“, hält er der Opposition vor — schließlich hatte Reul sich bereits für seine Äußerung entschuldigt. Zuletzt lässt er den Ausschussvorsitzenden Werner Pfeil ausrichten, er habe keinen Redebedarf mehr. Auf eine letzte Nachfrage von Lisa Kapteinat (SPD) schließt er mit dem Vorwurf, ihm sei das jetzt zu albern: „Was Sie machen, ist doch Klamauk.“ So endet die Sitzung — die Opposition schäumt, Biesenbach verlässt den Saal lächelnd, wie er ihn betreten hat.