Kohle-Kompromiss: Die Angst vor dem Absturz

Es soll ein Ausstieg ohne betriebsbedingte Kündigungen werden. Doch die Bergleute bleiben skeptisch.

Hamm. Gütig wie immer blickt die Heilige Barbara auf die altehrwürdige Werkszentrale des Steinkohle-Bergwerks Ost im westfälischen Hamm. Wäre ihr Lächeln nicht in Stein gemeißelt, hätte die Schutzpatronin der Bergleute heute wohl einen traurigeren Gesichtsausdruck: Die Nachrichten aus Berlin sorgten gestern bei vielen Kumpeln jedenfalls für Resignation. "Wir haben gebaut, haben kleine Kinder, und jetzt stehen wir da", sagt ein 42-Jähriger. Für ein Leben nach der Arbeit auf der einzigen noch verbliebenen Zeche im östlichen Ruhrgebiet hat er momentan keine große Hoffnung: "Diejenigen, die vor drei oder fünf Jahren umgeschult haben, sind heute alle arbeitslos." Im Bergwerk Ost, entstanden durch Zusammenlegung von ehemals acht eigenständigen Zechen, fördern derzeit noch knapp 3000 Bergleute Kokskohle. "Vor sieben Jahren waren es kurzfristig mal 6000", erklärt der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Volker Blaszyk. Für Hamm bedeutet die Zeche wirtschaftlich eine Menge. Die Deutsche Steinkohle AG schätzt die Nettokaufkraft durch die Löhne und Gehälter im östlichen Ruhrgebiet auf 36 Millionen Euro. Hinzu kämen Waren und Dienstleistungen im Wert von 350 Millionen Euro, die von der DSK in der Region eingekauft würden. Die Stimmung ist trübe an diesem Montag. "Für mich ist das alles schlecht. In diesem Jahr werde ich 40. Ich dachte, das läuft noch alles gut. Jetzt geht es mir doch ein bisschen auf den Magen", sagt Dirk Wohrath, der als Hauer unter Tage arbeitet und gerade auf den Schichtbeginn wartet. Und wenn die Schließung tatsächlich kommt? "Erstmal Bewerbungen schreiben und gucken, ob mich dann überhaupt noch jemand will", sagt er und geht zu seinen Kollegen. Bei vielen Beschäftigten liegen mittlerweile die Nerven blank "Bei manchen sind die Fäuste wirklich geballt", stellt der Hammer IG BCE-Vorsitzende Reiner-Horst Hennig fest. "Das Spiel geht jetzt schon drei bis vier Monate. Im Oktober sollten wir Bescheid wissen. Diese Achterbahnfahrt legt die Nerven blank, dass man wirklich Mühe hat, die Leute ruhig zu halten." Doch es gibt auch andere Stimmen. "Wenn die Rahmenbedingungen stimmen würden, könnte ich mich mit Bauchschmerzen mit den Beschlüssen anfreunden", sagt Michael Brauckmann. Er ist Elektriker, 50 Jahre alt, und hofft, "noch bis zur Rente" im Bergwerk arbeiten zu können. Ob 2018 wirklich Schluss ist? Blaszyk hofft auf die Revisionsklausel. "2012 ist nicht zu spät", meint er und verweist auf England, wo nun nach dem Kohleausstieg doch wieder zwei neue Bergwerke gebaut werden und Polen, die nun die Kohleförderung doch nicht so zurückfahren wollen wie ursprünglich mal geplant. Auf der Kamp-Lintforter Zeche West ist Önder Erkul skeptisch, aber nicht fatalistisch. Der 30-Jährige arbeitet seit 13 Jahren auf dem Pütt: "Wir sind erst mal alle überrascht, wir warten einfach ab." Kurzsichtig findet Udo Lohmann das mögliche Ende des Bergbaus. Lohmann, der von der Zeche Lohberg kommt und im Streckenvortrieb arbeitet, ist seit 33 Jahren unter Tage. "Ich finde es schade, dass wir die Energie, die hier liegt, nicht nutzen, dass wir uns so von Gaslieferungen und Öl abhängig machen." Dann schüttelt er den Kopf: "Ich weiß nicht, ob es das wert ist. Sollte es sozialverträglich ausgehen, dann geht’s ja einigermaßen, aber auf lange Sicht hin - ich weiß nicht." Die Kehrtwende der SPD überrascht ihn. "Die wollen doch alle nur an der Macht bleiben, egal wie."