Politik in NRW Kommunalwahlgesetz in NRW - Warum die SPD schnell Verfassungsklage erheben wird
Düsseldorf · CDU und FDP wollen das Kommunalwahlgesetz am Mittwoch durchs Plenum bringen. Viele Experten halten das für falsch, SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty für skandalös.
Wenn die NRW-Regierungsfraktionen an diesem Mittwoch das neu geschliffene Kommunalwahlgesetz durch das Parlament bringen wollen, droht Ungemach: Gestern hat SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty angekündigt, dass seine Fraktion zunächst auf eine dritte Lesung am Donnerstag drängen wird, um das Gesetz am Ende per Verfassungsklage anzufechten – womöglich noch vor der Sommerpause. Schon mit Verkünden des Gesetzes könnte die SPD diese angestrebte Verfassungsklage einreichen.
Die soll dann zwei Punkte erfassen, die die Sozialdemokraten an dem neuen Kommunalwahlgesetz schlicht für rechtswidrig halten: Die Abschaffung der Stichwahl von Oberbürgermeistern bei den Kommunalwahlen hält Kutschaty für einen „Grundsatzverstoß gegen das demokratische Legitimationsprinzip“, frei nach dem vermeintlichen Nutznießer-Prinzip: „Weniger Demokratie für mehr CDU-Bürgermeister“.
Darüber hinaus hält der SPD-Politiker aus Essen den Vorstoß der Regierungsfraktionen für eine Änderung bei der Einteilung der Wahlkreise für einen „Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung“: CDU und FDP wollen künftig nicht mehr Einwohner zählen, um die Ratswahlkreise zuzuschneiden, sondern Wahlberechtigte. „Was da passiert, ist ein echter Skandal“, sagt Kutschaty. „Die Union will das Gesetz mit aller Gewalt am Mittwoch durchjagen. Wir sind der Meinung: Das geht so nicht. Das ist noch gar nicht ausreichend in der Öffentlichkeit.“
Kutschaty wittert reichlich Kalkül: Was ihn vor allem stört: Wer kein Deutscher ist oder nicht aus einem EU-Land stammt, der soll bei dieser geplanten Neu-Berechnung künftig unberücksichtigt bleiben. Das hätte nach Aussagen des ehemaligen NRW-Justizministers zur Folge, dass einfachere Arbeiterstadtteile und Wahlkreise mit hohem Migrationsanteil, in denen für gewöhnlich häufig SPD gewählt wird, weniger werden – und im Gegensatz dazu bürgerliche Stadtteile größer und mehr. „Wir prüfen alle Möglichkeiten, dagegen verfassungsrechtlich vorzugehen. Denn klar ist doch: Ein Mitglied eines Stadtrates muss sich um alle Bürger in seinem Wahlkreis kümmern.“
Ohnehin steht das Projekt der Landesregierung, die Stichwahl wieder abzuschaffen, auf durchaus wackligen Beinen. Experten in Vielzahl hatten sich an den Änderungswünschen abgearbeitet – und sie zumeist negativ beschieden. Bislang gilt: Bekommt bei Kommunalwahlen kein Bürgermeister- oder Landratskandidat im ersten Wahlgang mehr als die Hälfte der gültigen Stimmen, findet eine Stichwahl unter den beiden Bewerbern statt, die bei der ersten Wahl vorn lagen. Künftig soll es reichen, nach dem ersten Wahlgang die einfache Stimmenmehrheit auf sich zu vereinigen: Hohe Kosten und geringe Wahlbeteiligung sprächen gegen die Stichwahl, heißt es aus den Regierungsfraktionen, von denen die CDU-Fraktion Treiber und die FDP treuer Geselle zu sein scheint. „Da können Bürgermeister mit weniger als 25 Prozent der Wähler hinter sich ins Amt kommen“, zetert Kutschaty. Die schwarz-gelbe Landtagsmehrheit hatte die Stichwahl 2007 schon einmal abgeschafft, 2011 wurde sie mit Stimmen von SPD, Grünen und FDP wieder eingeführt.