Kraft spricht mit palästinensischen Frauen und besucht Hilfsprojekt
Fünf Tage war Hannelore Kraft in Israel und den Palästinensergebieten - um viel zuzuhören. Das Fazit: Beide Seiten bauen auf Deutschland, aber die Erwartungen passen nicht wirklich zueinander.
Ramallah. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hat sich auch am letzten Tag ihrer Nahost-Reise mit den Problemen und Hoffnungen der Palästinenser auseinandergesetzt. In Ramallah, dem Sitz der palästinensischen Regierung, traf sich Kraft am Mittwoch mit Frauen - Bürgermeisterin Janet Michael sowie Wissenschaftlerinnen und Politikerinnen.
Danach fuhr sie weiter nach Beit Dschala, einer christlich- palästinensischen Stadt nahe Bethlehem, um dort das Rehabilitationszentrum der Hilfsorganisation „Life Gate“ zu besuchen. Thema der Runde waren Frauenrechte unter Besatzung und Armut. „Wir Frauen wollen in diesem Land leben, wir wollen keine Besatzung, wir wollen eine gesunde Wirtschaft. Das ist das beste für beide Nationen, Israelis und Palästinenser“, sagte Michael.
Die palästinensischen Frauen leiden nach Aussage der Frauenrechtlerin Sahira Kamal besonders unter der Besatzung: „Sie müssen der Familie Sicherheit geben, obwohl sie selbst nicht sicher sind. Sie müssen ihre Familien ernähren, obwohl sie selbst arm sind.“ Und wenn Frauen den Lebensunterhalt bestreiten und Männer sich dadurch gedemütigt fühlten, erhöhe das die Gefahr von Gewalt gegen Frauen.
Nach Einschätzung der Regierungsmitarbeiterin Cairo Arafat kämpfen Palästinenserinnen einen doppelten Kampf - gegen Besatzung und gegen die Unterdrückung der Frauen. In dieser Situation sei es besonders schwer für Frauenrechte einzutreten. Denn da die Palästinenser durch die Besatzung entrechtet seien, fehle der politische, bürgerliche und juristische Rahmen für den Kampf um Gleichberechtigung. Hinzu komme die Not: „Wenn es keine wirtschaftliche Entwicklung gibt, wenn Armut herrscht, werden die anderen Themen zweitrangig.“
Als Arafat sagte, sie werde nie palästinensische Präsidentin, reagierte Kraft mit: "Think big!“ Von Ramallah fuhr Kraft weiter nach Beit Dschala. Das dortige Rehabilitationszentrum von „Life Gate“ auf Spenden angewiesen und wird auch aus NRW gefördert. „Life Gate“ bildet Menschen mit körperlichen Behinderungen oder Lernbehinderte in zehn Handwerksberufen aus. „Wir wollen ein Tor zum Leben eröffnen“, sagte der Leiter des Zentrums, Burghard Schunkert.
Auch die medizinische Rehabilitation und allgemeine Schulbildung gehören zum Programm. In der Bevölkerung herrsche oft die Meinung, Behinderte könnten nicht für sich selbst sorgen, sagte Schunkert. Das soll „Life Gate“ ändern: „Wir wollen ansteckend wirken.“ Damit ging die fünftägige Reise Krafts, die derzeit auch Bundesratspräsidentin ist, zu Ende - am Abend wollte sie nach Deutschland zurückreisen.
Abgesehen vom Anreisetag verbrachte Kraft je zwei Tage in Israel und in den palästinensischen Gebieten. Sie sprach mit Israels Staatspräsident Schimon Peres, Gideon Saar vom regierenden Likud und Oppositionsführerin Zipi Livni, aber auch mit Studenten und Holocaust-Überlebenden. Außerdem besuchte sie die Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem. Auch ihre Begegnungen in den Palästinensergebieten waren vielfältig. Abgesehen vom Programm am Mittwoch traf sie Regierungschef Salam Fajad und den Oppositionspolitiker Mustafa Barghuti.
Ihr Fazit: Israel und die Palästinenser haben hohe Anforderungen an Deutschland, aber die sind sehr unterschiedlich: „Auf der israelischen Seite natürlich, uns als großer Freund Israels klar zu positionieren“, sagte Kraft. Dazu würde zum Beispiel gehören, den Bau israelischer Siedlungen in den Palästinensergebieten nicht zu kritisieren. Die Palästinenser dagegen verlangen, dass Deutschland Palästina als Staat anerkennt, falls die Verhandlungen mit Israel scheitern.
Kraft hielt dem - öffentlich - entgegen: „Einseitige Schritte, von welcher Seite auch immer, führen wahrscheinlich nicht zum Ziel.“ Unterschiedlich bewerten Israelis und Palästinenser nach dem Eindruck von Kraft auch das, was derzeit in Ägypten und anderen arabischen Ländern passiert: „In Israel sieht man beides, Risiko und Chance.“ Die Palästinenser dagegen sähen vor allem die Chance und freuten sich, dass demokratische Prozesse in Gang kämen.