#NRWUpdate Lindner auf FDP-Landesparteitag: Erst Düsseldorf, dann Berlin
Auf dem Landesparteitag der nordrhein-westfälischen FDP hat sich der Landes- und Bundesvorsitzende als Spitzenkandidat für das Wahljahr 2017 in Stellung gebracht.
Bielefeld. Hoffentlich erlebt der Hausmeister der Bielefelder Ausstellungshalle am Willy-Brand-Platz heute morgen keine Überraschung: Irgendwo in den nicht gerade barrierefreien Kellergängen zum Klo müssen 44 Liberale verschwunden sein. Das sind bei 395 Stimmberechtigten mehr als zehn Prozent, die an der Wiederwahl ihres Vorsitzenden Christian Lindner am Samstagnachmittag nicht teilnahmen — und ihm so ein Traumergebnis von 98,01 Prozent bei vier Neinstimmen und drei offiziellen Enthaltungen bescherten.
Zu Lindners und der Liberalen Glück schafften es solche Details am Wochenende nicht in die Nachrichten, doch der FDP-Chef wird genau zur Kenntnis nehmen, dass 15 der verschwundenen 44 zur Abstimmung über Generalsekretär Johannes Vogel (90,38 Prozent) den Weg zurück vom Klo in die Halle fanden und bei der Beisitzerwahl nur noch 19 fehlten. Das zeigt, dass die aus der Not geborene Personal-Konstruktion, 2017 erst als Landeschef die FDP in die NRW-Wahl zu führen und dann als Bundes-Chef um Berlin kämpfen zu wollen, von einer echten 98-Prozent-Zustimmung noch ein Stück entfernt erst.
Aber was noch nicht ist, wird schon werden. In zwei Wochen trifft sich die FDP zum Bundesparteitag in Berlin, dafür war das NRW-Signal aus Bielefeld wichtig. Zwar stehen in Berlin keine Wahlen an, doch wird der Bundesparteitag den Anspruch seines Vorsitzenden auf die Spitzenkandidatur untermauern. Dass Lindner zwischen NRW und Berlin einen ständigen Spagat aufführen muss, war auch seiner Rede in Bielefeld anzumerken, die gehörig zwischen Landes- und Bundespolitik schwankte.
Wie üblich teilte Lindner rhetorisch versiert aus, vornehmlich gegen die SPD und Rot-Grün in NRW, mit denen die FDP — anders als nun in Rheinland-Pfalz — nicht koalieren werde. „Wir werden Rot-Grün in NRW nicht verlängern, unser Ziel ist die Ablösung.“ Überhaupt werde die FDP künftig nicht mehr als Mehrheitsbeschaffer fungieren und nie mehr auf Leihstimmen setzen. Die FDP sei eine Gestaltungspartei, so Lindner, wer eine andere Lieblingspartei habe, solle die wählen.
Heftige Kritik übte Lindner an NRW-Ministerpräsidentin Kraft und Innenminister Ralf Jäger (beide SPD). Kraft hielt er vor, eine Kapitulationserklärung abzugeben, wenn sie nach sechs Jahren Regierung nicht die Verantwortung für den wirtschaftlichen Zustand des Landes übernehmen wollen, und wohl auch keine Ideen für die Zukunft habe: „Prioritäten im NRW-Landeshaushalt: Mehr Geld für Katzen-Kastration!"
Neben vielen Attacken auf politische Gegner (SPD-Chef und Vize-Kanzler Sigmar Gabriel nannte er „Unordnungs-Politiker" wegen dessen Tengelmann-Fusions-Entscheidung) gab Lindner in Bielefeld auch der eigenen Partei zahlreiche Signale. Nie wieder werde man zulassen, so der Vorsitzende, das Einzelne ihr Geschäft auf Kosten der Partei betrieben.
Wie bei allen Parteitagen aller Parteien, waren im Bereich vor dem Plenum etliche Lobbyisten mit Ständen vertreten. Von seinem Redner-Pult blickte Lindner frontal auf einen Stand der Telekom — und griff den Konzern ebenso frontal an. Es sei ein Unding, dass ausgerechnet die Telekom, die auf Kupferkabel setze, beim Netzausbau das Monopol auf die letzten Meter erhalten solle. Beim Breitband-Ausbau befinde man sich „auf dem Niveau von Rumänien“. Und auch zum Komplex der „Panama-Papers“ nahm Lindner eine Haltung ein, die vielleicht noch nicht alle von FDP-Vorsitzenden gewöhnt sind: „Wir erwarten ehrliche Kaufmannschaft. Es gibt keine Notwehr-Steuerhinterziehung.“
Die 44, die bei Lindners Wahl auf dem Klo oder sonst wo waren, werden sich daran gewöhnen müssen. In der Bevölkerung kommt Lindners neuer Kurs, wie schon bei den Landtagswahlen am 13. März in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sichtbar, gut an. Lindner zu Beginn seiner Rede: „Ich sage das nur ganz leise. Die Trendwende ist erreicht.“